Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
alles neu. Jeder Tag wird durch das Kind bestimmt. Beruf, Karriere und Familie: All das ist nicht unter einen Hut zu bringen. Ich weiß das. Vielleicht hätten wir Ihre Marie mitnehmen sollen«, meinte Trost.
»Ich glaube nicht, dass sie das gewollt hätte. Außerdem wird sie mit der Ehefrau von Wendel sprechen, um mehr über Maxim zu erfahren.«
»Wann? An diesem Wochenende?«
»Heute gegen sechs. Frau Wendel will sich mit ihr auf einen Kaffee in der Innenstadt auf dem Alten Markt treffen.«
»Was soll das Gespräch bringen?«
Stephan zuckte mit den Schultern. »Vielleicht müssen wir wirklich mehr über die Person Maxim Wendel erfahren. Alles, was wir bisher über ihn denken, ist schlicht ein Klischee.«
»Es ist nicht schlicht ein Klischee, es ist schlichtes Klischee«, verbesserte Trost und verzog die Mundwinkel. »Das Besondere an diesem Mann ist, dass er gleichermaßen perfide abartig und zugleich perfide verlässlich wie ein Automat ist. Er ist an dieser Stelle wirklich absolut kalkulierbar.«
»Ich weiß«, antwortete Stephan. »Aber vielleicht ist Wendels Schwäche instrumentalisiert worden.«
Trost blickte sich um und winkte die Bedienung herbei. »Wir erreichen gleich Bielefeld. Da bestelle ich gewöhnlich das erste Mal nach«, erklärte er schmunzelnd. »Sie nehmen auch noch einen Sekt, ja?«
Trost wartete nicht.
»Bitte noch zwei Sekt!«, rief er Richtung Tresen.
»Wie wollen Sie weiter vorgehen?«, fragte er Stephan. »Die Geschichte mit der Staffelei ist zu dünn, das wissen Sie.«
»Es gibt ein weiteres Detail, das wir beachten müssen und aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen bislang keine Rolle spielte«, sagte Stephan.
»Nämlich?«, forschte Trost und widmete sich einer Brötchenhälfte, die er satt mit Konfitüre bestrich.
Die Bedienung stellte die georderten Sektgläser auf den kleinen Tisch und räumte das leere Geschirr ab.
»Einer der Gäste des Cafés am Zoo hat in der Gerichtsverhandlung ausgesagt, dass Michelle Crouchford eine kleine Bauchtasche trug. Sie hat sie nämlich wieder gerade gerückt, als sie nach dem Sturz aufgestanden war«, erklärte Stephan.
»Was nachvollziehbar ist«, kommentierte Trost. »Bekanntlich wollte sie zum Ausgang des Parks joggen, wo sie ihr Auto abgestellt hatte. Also hatte sie zwangsläufig mindestens ihren Autoschlüssel, die Fahrzeugpapiere und ihren Führerschein bei sich, denn sie wird diese Sachen nicht im Auto gelassen haben. Wahrscheinlich hatte sie auch noch ihren Wohnungsschlüssel und vielleicht auch noch Geld bei sich. Mehrere Gegenstände also, die sie nicht bequem mit sich tragen konnte, außer in jener bewussten kleinen Bauchtasche.«
»Stimmt«, gab Stephan zu. »Aber sie hätte in dieser kleinen Tasche auch noch mehr mit sich tragen können. Vielleicht hatte Michelle Crouchford ein Spray dabei. Ich meine ein Wundspray, wie es zum Beispiel Fußballspielern ganz schnell wieder auf die Beine hilft, wenn sie auf dem Platz eine Verletzung erleiden. Wir kennen die Wirkung dieser Sprays doch alle aus den Fernsehübertragungen von Fußballspielen. Ein Spieler stürzt und windet sich vor Schmerzen, weil ihm ein anderer mit voller Wucht vor das Schienbein getreten hat. Und nach kurzer Behandlung läuft der Verletzte weiter, als sei nichts gewesen. Etliche Jogger werden ein solches Spray bei sich führen, gerade zu dem Zweck, um nach einem Sturz eine Erstversorgung durchführen und weiterlaufen zu können.«
Trost blickte Stephan unverwandt an.
»Sie haben mir erzählt, dass der Krankenhausarzt die Kniewunden der Michelle Crouchford ausgewaschen und versorgt hat«, fuhr Stephan fort. »Wichtig ist zum einen, dass dies nicht die erste Reinigung der Wunden war. Denn Sie haben mir erzählt – und so steht es auch in der Akte –, dass sich die Crouchford erstmals noch im Park die Wunden mit dem Wasser aus der Trinkflasche eines Joggers reinigte. Wichtig ist zum anderen, dass den Krankenhausarzt diese von dem Sturz herrührenden Wunden überhaupt nicht interessiert haben dürften. Im Zentrum seines Interesses stand zwangsläufig die versuchte Vergewaltigung. Aus der Akte ergibt sich, dass der Arzt zu Protokoll gegeben hat, dass die Crouchford zwar über ihre Wunden am Knie gejammert, aber wegen des behaupteten sexuellen Übergriffs regelrecht aufgelöst gewesen sei. Immerhin hatte sie es geschafft, dem Arzt klarzumachen, dass die Wunden an den Knien überhaupt nichts mit Wendels Überfall zu tun hatten. Folgerichtig standen die Knie
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