Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Maxims bekanntes Verhalten an der Schule, die Begegnung Maxims mit der Crouchford, die Faserspuren seiner Kleidung, die man an ihr gefunden hatte, und im Besonderen ging es immer um die Flasche, die Maxims Fingerabdrücke trug.«
Das Geschrei aus dem Kinderwagen war lauter geworden. Elisa forderte ihr Recht ein. Frau Wendel blickte gestresst in den Kinderwagen.
»Aus heutiger Sicht bin ich froh, mit Maxim keine Kinder zu haben«, meinte sie.
Marie stand auf und schob der kleinen Tochter den Schnuller in der Hoffnung in den Mund, Elisa noch für eine Weile beruhigen zu können.
»Ich sehe es anders als Trost«, sagte Marie und setzte sich wieder. »Wundert es Sie nicht, dass Maxim eine Wiederaufnahme anstrebt?«, fragte sie.
»Er wird verzweifelt sein«, antwortete Frau Wendel. »Dr. Trost sagt, nahezu jeder, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden sei, versuche so etwas.«
»Wann hat Trost zuletzt mit Ihnen gesprochen?«
Sarah Wendel überlegte.
»Unser letztes Gespräch ist einige Zeit her, vielleicht ein Jahr oder sogar länger. Maxim wollte ja von Anfang an diese Wiederaufnahme.«
»Und die letzte Frage, die Trost stellen wollte«, insistierte Marie. »Die Frage, wie Ihr gewöhnlicher Alltag in der Ehe ablief. Wie hätten Sie diese Frage beantwortet?«
»So normal und geregelt, wie man es sich kaum vorstellen mag«, antwortete Sarah Wendel und lächelte gelöst. »Maxim und ich waren aus der Sicht anderer bestimmt die Langweiler schlechthin. Alles war geregelt, fast sogar wie nach einem Fahrplan gestaltet. Verlässlichkeit war unser Grundprinzip. Jede Ehe funktioniert nach ihrem eigenen Plan. So war das auch bei uns. Bis auf Maxims merkwürdigen Tick. – Erklären Sie mal, dass ein Mann, der sich selbst gern als Lebemann und Draufgänger präsentiert, zu Hause der Spießer schlechthin ist«, sagte Frau Wendel. »Ein Mann, dessen Tagesablauf ausschließlich durch Rituale bestimmt ist, angefangen mit dem, was er wann zum Frühstück isst, wo genau er sein Auto an der Haltestelle abstellt, um mit der stets gleichen Bahn zur Schule zu fahren. Dass er in der Bahn ausschließlich seinen Sitzplatz in Fahrtrichtung auf der linken Seite wählt, was keinen Grund hat, sondern nur Marotte ist. Dass er in der Schule das von zu Hause mitgebrachte Obst – stets zwei Äpfel, jeweils sauber geviertelt – ausschließlich in der ersten Schulpause isst. Dass er nach der Rückkehr aus der Schule exakt 20 Minuten schläft, bevor er den Unterricht nach- oder vorbereitet. Ein Mann, der stets zur selben Zeit über dieselbe Strecke joggt, der täglich pünktlich zur Tagesschau auf dem Sofa sitzt, um fernzusehen. Aber ich kritisiere das nicht, Frau Schwarz. Ich bin in gleicher Weise festgefahren. Aber das ist nichts Schlechtes. Rituale tun gut. Unser ganzes Jahr war durchstrukturiert. Zu Ostern stets nach Sylt, im Sommer stets nach Kärnten, in den Herbstferien gab es einwöchige Städtereisen. Mal Rom, mal Wien, mal München. Die großen europäischen Metropolen, nicht irgendeine Stadt in Übersee. So etwas gefiel uns nicht. Gemütlich sollte es sein, heimelig. Haben Sie mal an einem lauen Herbstabend in Grinzing den Heurigen probiert? – Oder im weichen Abendlicht auf einer der Piazzen in Rom gesessen? – Was einem guttut, soll man wiederholen, Frau Schwarz. Maxim und ich fühlten uns gut. Man muss nicht immer auf Überraschungen aus sein.«
»Sie haben sich aber gerade überraschen lassen«, meinte Marie und deutete auf den Abfalleimer mit Präsentschleife und Luftballonen.
»Gewinnspiele sind schön«, fand Frau Wendel. »Maxim und ich haben bei fast jedem Spiel mitgemacht. Wir haben auch immer Lotto gespielt, aber da gewinnt man fast nie etwas. Es ist besser, bei Preisausschreiben von Firmen und Ähnlichem mitzumachen. Die Chance, dort etwas zu gewinnen, ist gar nicht so gering. Man kommt manchmal ganz schnell an wertvolle Preise. Wir hatten in unserer kurzen Ehe eine Reise nach Griechenland beim Preisausschreiben eines Supermarktes und im Gartencenter ›FlorOrbi‹ mit einem Glückslos anlässlich des zehnjährigen Firmenjubiläums einmal einen bereits gut herangewachsenen Birnbaum für unseren Garten gewonnen.«
»Was ist die Bilanz?«, fragte Marie. »Die Bilanz Ihrer Ehe?«
»Nach den Beweisen, die gegen Maxim sprechen, muss ich mich in ihm geirrt haben«, antwortete sie. »Ich glaube, dass wir uns tatsächlich noch nicht genau genug kannten.«
Marie stand auf.
»Ich gehe kurz in das Lokal, um zu sehen, ob
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