Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
irreal schönfärbte. Marie rekapitulierte im Zeitraffer, was sie aus ihrem eigenen Studium der Akten über Maxim Wendel erfahren oder was ihr Stephan über ihn sonst noch berichtet hatte, der seine Informationen natürlich nur von Trost bezogen hatte.
»Wenn es so ist, dass Ihr früherer Mann keinen einzigen sexuellen Übergriff gegen irgendeine Frau begangen hat, dann können Sie doch auch nicht glauben, dass er Michelle vergewaltigt hat. Ergo kann es auch keinen Grund geben, warum er den Rentner Rudolf Gossmann ermordet haben sollte.«
»Genauso ist es, Frau Schwarz! Wenn es allein danach ginge, was ich für mich glaube, so denke ich, dass er die Crouchford nicht vergewaltigt hat.«
Frau Wendel schlürfte den Rest des Eiskaffees aus ihrem Glas. Marie sah sie verblüfft an.
»Ich verstehe Sie nicht, Frau Wendel!«
Sarah Wendel hob fragend die Augenbrauen.
»Aus der Akte ergibt sich, dass Dr. Trost Sie als Zeugin im Prozess gegen Ihren Mann benannt hat. Aber als Sie als Zeugin vom Gericht befragt werden sollten, haben Sie die Aussage unter Berufung auf Ihr Zeugnisverweigerungsrecht abgelehnt. Sie hätten doch dem Gericht all das sagen können und müssen, was Sie mir gerade gesagt haben. So sieht es aus, als hätten Sie sich mit der Verweigerung der Aussage gegen Ihren Mann positioniert. Aus meiner Sicht haben Sie ihm eher geschadet.«
»Was ich glaube, ist irrelevant. Und es ist auch irrelevant, dass Maxim mit mir so etwas wie eine Therapie begonnen hat und nach seinen eigenen Worten auf dem Weg in die Normalität war. All das ist egal, weil er doch der Täter gewesen ist. Selbst Dr. Trost, der am Anfang fest davon überzeugt war, Maxims Unschuld beweisen zu können, musste schließlich eingestehen, dass er sich geirrt hatte. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass ein exzellenter Anwalt wie Dr. Trost die Segel streichen musste. Was also hätte meine Aussage ändern können?«
»Soweit ich weiß, hat Trost Sie doch selbst als Zeugin benannt«, stutzte Marie.
»Das stimmt.«
»Warum haben Sie dann geschwiegen? Zu welchem Thema hat Trost Sie überhaupt als Zeugin benannt?«
»Ich sollte dazu vernommen werden, welche sexuellen Vorlieben Maxim hat, also eigentlich zu der Frage aussagen, was es mit Maxims angeblichen sexuellen Übergriffen auf andere Frauen in Wirklichkeit auf sich haben könnte.«
»Also genau das Thema, über das wir uns gerade unterhalten«, bemerkte Marie und schüttelte den Kopf.
»Ich habe alles vorher mit Dr. Trost so besprochen«, wandte Sarah Wendel ein. »Dr. Trost hatte mich ja extra als Zeugin benannt, damit ich Maxim entlasten konnte. Und er hat mit mir vorher die Fragen besprochen, die er mir in der Hauptverhandlung stellen wollte.«
»Nämlich?«, forschte Marie.
»Zum Beispiel wollte er fragen, ob Maxim und ich häufig miteinander sexuell verkehren«, antwortete sie. »Oder ob es wirklich stimme, dass er sich auf der Straße gern nach blonden jungen Frauen umschaue. Außerdem wollte er fragen, ob Maxim mir manchmal gegenüber Geschichten präsentierte, die sich im Nachhinein als unwahr herausgestellt haben.«
Frau Wendel überlegte einen Augenblick, dann fiel ihr ein: »Er wollte auch fragen, ob ich in Maxims Sachen einmal Pornohefte oder Ähnliches gefunden hätte. Dr. Trost sagte, dass er dem Gericht mit diesen Fragen, also natürlich mit meinen Antworten, klarmachen wollte, dass Maxim ein ganz normaler Mann sei. Er sagte, dass ich mich darauf einrichten müsse, dass das Gericht und auch die Staatsanwaltschaft hier wohl sehr ins Detail gehen würden und dass ich unbedingt die Wahrheit sagen müsste. Ich sei zwar die Ehefrau und hätte als solche ein Aussageverweigerungsrecht, aber wenn ich aussagen würde, müsste es die volle Wahrheit sein. Er fragte mich, ob ich Kraft genug hätte, eine solche Befragung durchzustehen, zumal ja viele Zuhörer und die Presse mit im Saal seien.«
»Hätten Sie die Kraft gehabt?«, fragte Marie und blickte irritiert auf den Kinderwagen, aus dem sich die kleine Elisa meldete. Marie schob den Wagen mit der linken Hand etwas hin und her, während sie sich wieder ganz auf Sarah Wendel konzentrierte.
»Natürlich hätte ich die Kraft gehabt«, erwiderte Frau Wendel. »Ich wollte Maxim ja helfen.«
»Und was hätten Sie auf die Fragen geantwortet?«, wollte Marie wissen.
»Ich hätte gesagt, dass wir miteinander verkehrten. Durchaus regelmäßig sogar. – Es wäre auch nicht gelogen gewesen«, setzte sie hinzu. »Und natürlich stimmt
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