Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
sächsischen Spezialitäten nur empfehlen. Allerdings nehme ich dazu kein Bier, sondern bleibe auch hier lieber beim Wein. Zu deftig soll es denn auch nicht sein. Ich schlage einen Grauburgunder vor.«
»Gern«, antwortete Stephan. »Ich folge auch beim Essen Ihrer Empfehlung.«
Trost winkte den Kellner herbei und gab die Bestellung auf.
»Es folgen noch zwei Herrschaften nach?«, fragte er dienstbeflissen.
»Die beiden werden nicht essen, sondern nur etwas trinken«, antwortete Trost verschmitzt. »Stellen Sie auf die beiden Plätze noch Weingläser«, bat er.
Der Kellner nickte und räumte die Gedecke auf den beiden leeren Plätzen ab.
»Denken Sie sich zwei Personen in unserer kleinen Runde hinzu«, antwortete Trost auf Stephans fragenden Blick. »Wir hätten keinen treffenderen Platz finden können als dieses uralte Lokal. – Nehmen wir an, ich wäre Fausts Mephisto, lieber Herr Knobel. Wer sollte dann als mein Gegenpart noch an diesen Tisch?«
Stephan stutzte.
»Sie wollen nicht ernsthaft so etwas wie ›Dinner for one‹ spielen?«
»Sie müssen mitspielen, wenn Sie wissender werden wollen«, antwortete Trost. »Also zieren Sie sich nicht!«
»Gretchen, vielleicht«, überlegte Stephan.
»Natürlich Gretchen«, sagte Trost mit Nachdruck. »Haben Sie Gretchen noch in Erinnerung? Gretchen verkörpert die Reinheit, die absolute Liebe, glaubt an Gott und lebt ihre Ideale. Wer fällt Ihnen als passendes Gretchen ein?«
Stephan fiel niemand ein. Er wollte kein Spiel.
»Ich denke da an Ihre Marie«, sagte Trost und nahm Stephan auffallend ernst ins Visier.
»Ein hinkender Vergleich«, meinte Stephan. »Marie ist weder die Verkörperung des Reinen noch ist sie gottesfürchtig. Ich glaube, sie ist eher Atheistin.«
»Seien Sie gelassener«, beschwichtigte Trost. »Mir jedenfalls gefällt das Gegensatzpaar Mephisto und Gretchen, und ich finde, dass ich die Rolle des Teufels ebenso gut einnehmen kann wie Ihre Marie diejenige meines Gegenparts.«
Der Grauburgunder wurde gereicht. Trost bat, auch auf die beiden leeren Plätze jeweils ein gefülltes Glas zu stellen.
»Ihre Marie sitzt gedanklich mit am Tisch«, sagte Trost, nachdem der Kellner wieder gegangen war. »Gönnen Sie mir doch die Freude, Marie mit der Gretchenrolle zu besetzen.«
»Und der vierte Platz?«, fragte Stephan.
»Kommen wir erst zu Ihnen«, unterbrach Trost. »Sie sind in gewisser Weise Faust. Sie sind neugierig, wohlwollend und manchmal nur so etwas wie ein Gast.«
»Gast?«, fragte Stephan verwundert.
»Sie halten sich zurück, Herr Knobel. Es fällt mir immer wieder auf. Sie stehen nicht gern im ersten Glied. Fast hätte ich darauf wetten können, dass Sie das gleiche Essen auswählen wie ich. Sie setzen sichtbar kaum eigene Akzente. Aber Sie sind ein schlauer Fuchs. Sie forschen und erforschen. Das gefällt mir sehr. Ich habe es bereits mehrfach gesagt.«
»Die Rolle des Teufels passt nicht zu Ihnen, Dr. Trost«, meinte Stephan.
»Vielleicht werden Sie einmal anders darüber denken. Aber Sie wissen, dass der Mephisto häufig nur das Gute schafft. Und das ist doch wirklich sehr versöhnlich.«
Trost hob das Glas, betrachtete einen Augenblick versonnen den goldglänzenden Wein, stieß mit Stephan an und nahm einen Schluck.
»Haben Sie schon mit Ihrer Marie telefoniert?«
»Ja, nach unserer Ankunft im Hotel«, antwortete Stephan.
»Nein, ich meine, nach unserem Besuch vor dem geheimnisvollen Haus. Ihre Marie wird all dies hinterfragen.« Er stellte das Weinglas ab. »Sie wird nämlich nicht glauben, dass mir dieses Haus unbekannt war. Denken Sie daran: Alljährlich Ende Januar besuche ich eine Tagung im Bundesverwaltungsgericht. Also liegt es nahe, dass ich bei einer dieser Gelegenheiten mal einen knappen Kilometer weiter gegangen bin, um mir dieses Haus anzuschauen, dessen Adresse mir Oberstaatsanwalt Kreimeyer mitgeteilt hatte. – Klipp und klar: Ich kannte das Haus nicht, Herr Knobel. Ich schwöre es.« Er sah Stephan abschätzend an. »Natürlich weiß ich auch, dass Ihre Marie mich hinterfragt. Sie mag mich nicht. Ich spüre es. Alle kritischen Fragen stammen von Ihrer Marie.«
»Sie haben einmal gesagt, sie zu mögen, Herr Dr. Trost.«
»Nein«, widersprach Trost. »Ich habe gesagt, sie sei sehr attraktiv. Und ich habe – freilich aus meiner Sicht schmeichelnd – gesagt, dass sie sehr angenehm sei. Das ist etwas anderes.«
Stephan mied, Trost ins Gesicht zu sehen.
»Es ist doch völlig in Ordnung, dass diese
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