Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
Mbatus Stirn berührte.
Sofort wurde sie von einem heftigen, lautlosen Wind mitgerissen, einem psychischen Taifun, der an ihrem Geist zerrte, an ihrer Identität, ihrer Seele. Es war keine Kleinigkeit, in den Geist eines anderen intelligenten Wesens einzudringen, auch nicht in den eines Freundes. Manche Bluthündin war nach dem ersten Versuch kreischend gestorben, da die geistige Gesundheit beim Eindringen ebenso fortgerissen werden konnte, wie es möglich war, daß ein Herz unter der Last zweier verschiedener Rhythmen zerplatzte, die sich weigerten, eins zu werden.
Doch Kiva war stark genug, und Mbatu ebenso. Der Augenblick des Schmerzes ging schnell vorüber, und sie fand rasch auf die vertrauten Pfade von Geist und Herz des Wemic. Einen Moment lang hielt sie inne und war wie eine Besucherin in einem wundervollen Tempel von der völligen Loyalität gefesselt, die sie dort vorfand. Es war eine Eigenschaft, die Kiva hoch einschätzte, aber nicht verstand.
Sie holte aus dem Geist ihres Freundes die Tavernenszene und unterdrückte ein Lächeln, als sie die respektlosen Bemerkungen hörte, die Mbatu von Tzigone aufgeschnappt hatte, ehe er losgestürmt war. Durch die Augen des Wemic sah sie, was auch Mbatu gesehen hatte, und bemerkte auch Details und Nebensächlichkeiten, die ihm gar nicht bewußt geworden waren. Sie sah Matteos Gesicht, als er aufsprang und den Tisch umwarf. Dabei erkannte sie auch die Saat der Rebellion in den wilden schwarzen Augen des jungen Jordain. Als die Vision vorüber war, wußte Kiva, daß sie sich richtig entschieden hatte.
Langsam und behutsam löste sie die magischen Verbindung, die sie mit Mbatu einte. Der Wemic betrachtete sie mit schmerzerfülltem, aber in keiner Weise vorwurfsvollem Blick.
»Den wirst du auch haben wollen, schätze ich? Er kämpft gut«, fügte Mbatu ironisch an.
»Matteo wird noch früh genug für mich kämpfen«, stimmte sie ihm zu. »Derzeit habe ich anderes mit ihm vor. Sein Weg wird den des Mädchens wahrscheinlich schon recht bald wieder kreuzen. Das können wir nutzen und fördern. Wenn die Zeit gekommen ist, können wir beide erwischen, wenn sie nichts ahnen.«
Mbatu schnaubte. »Die Jordaini können wenig mit Frauen anfangen. Laß ein paar Monate verstreichen, und es wird ihn nicht mehr interessieren, ob Keturahs Tochter lebt oder stirbt.«
»Das kann ich ändern.«
Der Wemic deutete das plötzliche Strahlen in Kivas Augen falsch. »Ist das klug? Tändelei mit einem studierenden Jordain wird man nicht gern sehen, auch bei jemanden, der so weit oben ist wie du. Vielleicht gerade bei dir nicht. Bluthündinnen und Jordaini passen nicht zusammen. Persönliche Einmischung kann die Klarheit und Reinheit deines Urteils trüben und der Sache Azuths einen schlechten Dienst leisten«, zitierte er.
Sie mußten bei diesem Gedanken beide lachen. Ihre Einmischung war zutiefst persönlich, und ihre Urteile hatten nur wenig mit Azuth zu tun.
Kiva wurde als erste wieder ernst und erklärte Mbatu ihren Plan. »Kannst du dich um das Pferd kümmern, sobald wir Matteo haben? Kannst du dafür sorgen, daß es zum Jordaini-Kolleg zurückkehrt?«
»Das werde ich«, knurrte Mbatu. »Dieser Bastard hat ein schwarzes Herz.«
»Gut. Der Mond nimmt ab, in drei Tagen ist Neumond. Dann wird das Läuterungsritual vollzogen. Wir müssen Matteo solange festhalten, damit er den Unterschied nicht merkt.«
»Glaubst du wirklich, er wird nicht merken, ob das Ritual vollzogen wurde oder nicht? Menschen werden nicht einfach zu Eunuchen!«
»Die Jordaini wissen nicht, was sie erwartet. Was er nicht weiß, kann er nicht fürchten. Die Studenten werden allein und unter einer Kapuze verborgen zum Ritual gebracht. Der Magier, der das Ritual vornimmt, weiß nicht, wer unter sein Messer kommt. Wenn es erledigt ist, werden die Jordaini zur Verschwiegenheit verpflichtet und isoliert, bis sie sich erholt haben. Es wird eine Kleinigkeit sein, einen Gemeinen zu finden, der Matteos Platz einnimmt, vor allem, wenn der Mann dabei gesehen wird, wie er auf Matteos Pferd zum Komplex geritten kommt.«
»Die Meister des Hauses Jordain werden sich nicht so leicht zum Narren halten lassen. Sie werden das niemals gestatten!« warf der Wemic ein.
Kiva lächelte. »Du wärst erstaunt, was die Jordaini alles gestatten. Die Wahrheit ist bemerkenswert wankelmütig. Geh nun und tu deinen Teil.«
Sie verließen das Zimmer im Turm. Mbatu machte sich außerhalb der Stadtmauern auf die Suche nach einem jungen Mann,
Weitere Kostenlose Bücher