Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
nach, dann legte er ihr mitfühlend die Hand auf Schulter. »Noch ein Wort von einem alten Freund?«
»Versuch gar nicht erst, mir zu sagen, daß er die Mühe nicht wert ist. Ich bin noch nie einem Jordain begegnet, bei dem das der Fall gewesen wäre.«
»Ich würde nicht einmal im Traum daran denken, dich umzustimmen, da du dich schon längst entschieden hast«, wandte Gio ein. »Tu mir nur einen Gefallen. Wenn man dich schnappt, dann versuch wenigstens, den Stab über die Mauer zu mir zu werfen. Ich würde ihn ungern verlieren.«
»Besitzerstolz, Gio?« zog sie ihn auf.
Gio sah sie irritiert an. »Nur gesunder Menschenverstand. Es gibt in den Zellen niemanden, der wüßte, war er mit dem Ding anfangen sollte. Es wäre eine Schande, wenn er als Feuerholz endete.«
ACHTES KAPITEL
D ie Sonne stand tief über den Bergen, als Mbatu in das Haus zurückkehrte, das er mit Kiva teilte. Der Wemic hatte einen Bauern über die Schultern geworfen wie ein Jäger ein erlegtes Tier. Er verlagerte das Gewicht des Mannes und ließ ihn vor Kivas Füße fallen. Der Gefangene stöhnte, als er auf dem Boden aufschlug, und rollte sich zusammen.
Kiva konnte an dem Bauern keine Kampfspuren entdecken, aber sie hatte auch nichts derartiges erwartet. Mbatu war zu erfahren und klug, um seine Beute zu zeichnen, es sei denn zum Vergnügen.
Die Elfe betrachtete den Gefangenen nachdenklich. Er war jung und hatte in etwa Matteos Größe. Seine Muskeln waren von harter Arbeit gestählt, die Sonne hatte seine Haut gebräunt. Damit endeten aber auch die Ähnlichkeiten zwischen beiden. Das Gesicht des Bauern war schmerzverzerrt, aber selbst wenn dem nicht so war, würde er nicht sonderlich attraktiv aussehen. Seine Hände waren breit, die Finger dick, die Nägel waren eingerissen und schmutzig von der Erde. Sein Haar hatte eine ähnliche Farbe, doch es war struppiger als das des Jordains und nicht ganz so lang und glänzend. Die Dunkelheit würde solche Einzelheiten überdecken. Magie und einfache weltliche Erpressung würden den Rest erledigen.
»Wird man ihn vermissen?« wollte sie wissen.
Der Wemic zuckte die Achseln. »Nicht sehr. Er ist ein Tagelöhner auf den Feldern eines anderen. Solche Männer kommen und gehen mit der Ernte.«
»Gut, dann laß es uns zu Ende bringen.«
Kiva wirkte einen Zauber, um die Schmerzen des Mannes zu lindern und ihn gefügiger zu machen. Auf ihren Befehl hin entledigte sich der Bauer seiner groben Kleidung und zog statt dessen eine weiße Leinentunika und lange Gamaschen an, wie sie ein Jordain trug, der im Begriff war, sich dem Ritual der Läuterung zu unterwerfen.
Ihn auf Matteos schwarzen Hengst zu bekommen erwies sich als die weitaus mühseligere Aufgabe. Das Pferd wich aus, bockte und schnaubte, da es sich weigerte, den Bauern auf seinen Rücken zu lassen. Nicht einmal Kivas Magie konnte den Willen des Hengstes beugen.
Schließlich mußte die Bluthündin ihre Niederlage eingestehen und den Bauern auf einem einfacheren Tier losreiten lassen. Um den Hengst in seinen Stall zurück zu locken, ritt Kiva auf ihrem bevorzugten Wallach voraus, machte aber an einem Seil eine rossige Stute fest. Sie legte ein verschärftes Tempo vor und stellte zufrieden fest, daß der schwarze Hengst mehr als bereit war, mit ihnen Schritt zu halten.
Sie ritten bis ins Dorf am Rand von Haus Jordain, zu der schön anzusehenden Reihe von kleinen Häusern, in denen die Meister lebten. Kiva hatte Zephyrs Recherche gut genutzt, doch sie verfügte außerdem auch über eigene Quellen. Einer der Meister des Jordaini-Kollegs hatte allen Grund dazu, seine Geheimnisse ganz für sich zu bewahren.
Der Mann war nicht erfreut, sie zu sehen, doch er empfing sie mit der gebotenen Höflichkeit. Nachdem sie die üblichen ermüdenden Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten, sagte Kiva ihm, was sie vorhatte.
Die Augen des Meisters huschten zu dem jungen Ersatzmann, der draußen auf sie wartete. Er saß immer noch auf dem geborgten Pferd, und seine matten, verzauberten Augen starrten ins Leere.
»Bei allem Respekt, Herrin, aber ich muß protestieren. Vergessen wir für einen Augenblick die Ehre der Jordaini und die Gesetze dieses Landes«, bat er. »Aber denkt doch an diesen jungen Mann, der nie Kinder wird zeugen können. Das ist ein schwerer Verlust. Die Männer und Frauen, die das Feld bestellen, sind von den kleinen Händen ihrer Kinder abhängig. Die Aufgaben, die die Kinder auf den Bauernhöfen erledigen, sind keine schweren Arbeiten
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