Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
allen neun Höllen hast du angestellt? Den Oberbürgermeister geärgert?«
Matteo seufzte. »Im übertragenen Sinne könnte man es so nennen. Procopio Septus, der Oberbürgermeister, ist mein Patron. Ich bin in einen Streit mit dem Ratgeber der Dame Xavierlyn verwickelt worden.«
Der Soldat hob die Hand. »Sag nichts weiter. Wir reden hier von denen, die König werden wollen. Neben einem Dutzend anderer natürlich, doch Procopio und Xavierlyn sind die besten Pferde im Stall. Nicht, daß es mir anstünde, darüber zu reden.«
Das tat es sicher nicht, doch Matteo konnte gut verstehen, daß der Mann den Wunsch verspürte, sich über irgend etwas zu unterhalten. Seit er Zalathorms Hof verlassen hatte, war ihm keine Menschenseele begegnet, und hinter der großen Tür waren keine Geräusche zu hören, die auf irgendwelche menschlichen Aktivitäten schließen ließen. Ein leises Klicken, Klopfen und Surren war durch das dicke Holz zu vernehmen, aber kein Laut erinnerte auch nur entfernt an etwas, was von einem Menschen stammte.
»Ich bin angewiesen worden, mich der Königin vorzustellen«, sagte Matteo, der weitergehen wollte.
Der Seneschall zuckte die Achseln und holte einen kleinen silbernen Stab aus dem Ärmel. Damit berührte er das massive Schloß, das augenblicklich verschwand. Die Tür wurde ebenfalls durchsichtig und verschwand mit einem leisen Knall. Knapp dahinter befand sich eine weitere Tür, die sich ebenso auflöste.
»Magische Abwehrmechanismen«, erklärte der Wachmann. »Hält einiges davon ab, dort herauszukommen. Man kann nicht vorsichtig genug sein, immerhin ist der König durch den Flur schnell erreicht.«
Es kam ihm komisch vor, daß sich der Wachmann der Königin Gedanken um den Schutz des Königs statt um seine eigentliche Aufgabe machte. Doch Matteo nickte nur höflich und wartete, bis sich die dritte und letzte Tür endlich öffnete, die in Scharnieren aus stabilem Eisen hing. Er trat ein und bemerkte, daß der Wachmann die Tür hinter ihm hastig verbarrikadierte.
Was sich seinen Augen darbot, hatte er noch nie gesehen, und es übertraf seine kühnsten Phantasien. Lange Tische standen in präzise angeordneten Reihen im Saal, hier und da waren bewegliche Wände, die mit großen Pergamentbögen behängt waren. Auf ihnen standen unverständliche Muster aus Linien und Runen geschrieben, und erst auf den zweiten Blick erkannte Matteo, daß es sich um Skizzen für irgendeinen neuen Mechanismus handelte.
Die Mechanismen fanden sich einfach überall. Eine Kletterranke, die zu grün war, um echt zu sein, war mit violetten Blumen überzogen, die wieder und wieder Knospen hervorbrachten, aufblühten und sich schlossen. Mehrere winzige Vögel schwirrten herum und »labten« sich an den Blüten. Das leise Schwirren ihrer Flügel hatte etwas schwach Metallisches. Es war unglaublich, aber bei den Kolibris handelte es sich um fliegendes Spielzeug. Ein Metalltiger, dessen lebensechte Zeichnung mit Gold und Onyx nachempfunden worden war, schlich um den Thron der Königin und wachte über seine Herrin.
Königin Beatrix saß nicht auf dem Thron. Sie stand ein Stück daneben und studierte eine der Zeichnungen. Sie war so ruhig, daß Matteo sie einen Augenblick lang für eines ihrer eigenen Konstrukte hielt. Als sie sich umdrehte und ihn mit kalten braunen Augen ansah, war er nicht ganz sicher, ob er sich geirrt hatte oder nicht.
Sie mochte einmal schön gewesen sein. Ihre Statur war zierlich und schlank, sie war gut gebaut und makellos. Nur ihr Gesicht war vollkommen weiß geschminkt, um an feines Porzellan zu erinnern. Ihr Mund war eine pedantisch genaue, karmesinrote Kurve, und um ihre Augen war mit viel Geschick ein breiter Kajalstrich gezogen worden. Sie trug eine weiße Perücke mit Silberfäden, kunstvoll gelockt und mit einem Netz aus Perlen und Elektrum überzogen. Ihr weißes Kleid war steif, förmlich und mit Silberstickerei geschmückt. Die Wirkung war wohl schön, aber auch kalt und nicht ganz menschlich. Matteo hätte nicht schwören wollen, ob sie Frau, Göttin oder Maschine oder vielleicht sogar eine Kombination daraus war.
»Du darfst vortreten«, sagte sie mit flacher, aber eindeutig menschlicher Stimme.
Matteo verbeugte sich, dann nannte er seinen Namen und den seines Patrons. »Meister Procopio übersendet Euch seinen Respekt.«
»Und ist so klug, ihn nicht selbst zu überbringen«, sagte Beatrix ohne Anflug von Wut oder Humor. Sie wandte sich ab und wies auf die Zeichnung. »Nun,
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