Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
zusammenzutragen, und es gab nur wenige Halruaaner, die eine Einladung ausschlagen würden, auf einem der wundersamen Schiffe mitzufliegen. Sobald das Schiff abgelegt hatte, waren die Besucher buchstäblich gefesselte Betrachter, die davon abhängig waren, wann Zephyr beschloß, wieder zu landen. Über die Jahre hatte er vielen Mitreisenden erstaunliche Geheimnisse entlockt, weil sie zu begeistert oder zu verängstigt waren, um darauf zu achten, was sie sagten. Es war ein angenehmes Arrangement und eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Zephyr das Gefühl hatte, das Sagen zu haben.
Heute mußte sich der Elf dagegen keinen Illusionen hingeben, wer das Kommando hatte. Er war auf Kivas Anweisung aufgestiegen.
Ihm wurde bewußt, dass die wunderschöne Bluthündin viel erreicht hatte, seit sie das verschmutzte und verängstigte Mädchen gewesen war, das Akhlaurs Männer aus den Bäumen Mhairs gezerrt hatten. Sie war vor Schock und Trauer fast von Sinnen gewesen, denn sie war dem ersten Angriff auf ihr Dorf entkommen, nur um mitansehen zu müssen, wie ihre Leute abgeschlachtet wurden. Wie Zephyr hatte sie jahrelange Folter und Erniedrigung durch den Magier Akhlaur überlebt. Doch anders als er war sie aus Halruaa entkommen und hatte sich ein eigenes Leben aufgebaut. Jahre später war sie zurückgekehrt, um die berühmte Magie des Landes zu erlernen, damit sie das schreckliche Unrecht aus der Welt schaffen konnte. Zephyr bewunderte sie für alles, was sie erduldet und erreicht hatte.
In letzter Zeit aber hatte er begonnen, sie zu fürchten. Er wünschte, er könnte sich den Grund dafür erklären. War nicht das finstere Ziel, auf das sie ihr Leben lang hingearbeitet hatte, mit seinem identisch? Empfand sie nicht die gleiche Trauer und Schuld wegen der Kreatur, die Akhlaurs Sumpf heimsuchte? Hatten sie sich nicht beide geschworen, erst zu ruhen, wenn der Laraken vernichtet war?
Der alte Elf blinzelte in den Himmel und verfluchte seine schlechter werdenden Augen, während er versuchte herauszufinden, was es mit der kleinen dunklen Wolke auf sich hatte. Es war beileibe nicht die einzige Wolke über dem See, aber die meisten anderen trieben mit dem Wind weiter, während dieser hier über einer Stelle hing und gereizt aussah. Man konnte fast meinen, sie hätte sich Finger gewünscht, um mit ihnen einen ungeduldigen Takt zu trommeln. Viel bemerkenswerter war aber, daß sie sich genau außerhalb der magischen Abwehrmechanismen der Stadt befand, jener mächtigen Zauber also, die die Stadtwachen darauf aufmerksam machten, wenn sich ein mächtiger Magier näherte. Kiva würde von diesen Abwehrmechanismen wissen und außerhalb ihrer Reichweite bleiben.
Zephyr gab dem Steuermann Befehl, den Kurs zu ändern und durch die Wolke zu segeln. Dann ging er nach unten, um auf seinen Gast zu warten.
Er fühlte ihre Präsenz im kalten Nebel der Wolke, die plötzlich das Schiff umschloß und sah, wie die winzigen Tropfen sich zu einer festen weiblichen Form verdichteten, einer wilden Elfe mit jadegrünen Locken und tiefgebräuntem Goldteint – ein ungewöhnlich heller Farbton für eine Waldelfe aus diesen Breiten.
»Seid gegrüßt, Kiva. Ihr seht so aus, als sei Euch kalt.«
Die Bluthündin warf ihm einen wütenden Blick zu, dann stolzierte sie durch die Kabine und nahm eine Karaffe Haerlu-Wein vom Tisch des Kapitäns. Sie schenkte ein wenig von der blaßgoldenen Flüssigkeit in einen Kelch und leerte ihn in einem Zug. Sie verzog das Gesicht bei dem intensiven Geschmack, und Zephyr sah, daß die goldene Blässe ihres Gesichts etwas von dem kupfernen Farbton zurückerhielt. Offenbar fand man nur wenig Trost in den Armen einer Sturmwolke.
Sie wandte sich dem alten Elfen zu. »Hast du das Mädchen oder nicht?«
»Ich werde es bekommen«, sagte Zephyr unerschrocken. »Sie war in jüngster Zeit äußerst mutig. Wir haben sie in den letzten Tagen einige Male ausgemacht. Bislang ist es niemandem gelungen, sie zu fassen zu bekommen, doch das ist nur eine Frage der Zeit.«
»War Matteo nützlich?«
Der Elf verzog die Mundwinkel. »Nicht so, wie ich mir erhofft hatte. Der Junge hat den Dienst gewechselt. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er sich an den Hof von Königin Beatrix begeben hat.«
Kiva fuhr herum und starrte ihn an. »Das kann nicht dein Ernst sein. Wer steckt dahinter?«
»Procopio ließ ihn gehen, aber auf Cassias Drängen hin.«
Die Elfe nickte wütend. »Ich hätte damit rechnen sollen. Cassia hegte schon seit langem
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