Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
Jordain, wenn du mein Ratgeber sein möchtest, dann komm her und sag mir, was du siehst.«
Er trat zu ihr und betrachtete das komplexe Muster aus ausholenden Linien und Kurven. »Der Form nach sieht es nach einem Elefanten aus, Majestät.«
»Wird er sich bewegen? Gehen? Angreifen?«
»Ich bin kein Baumeister, aber ich denke nicht.« Er zeigte auf eine Reihe miteinander verbundener Zahnräder. »Sie scheinen mir nicht auszureichen, um die nötige Energie zu liefern.«
»Die Zahnräder sorgen für etwas Antriebskraft, die von der Lebenskraft, die eingepflanzt wird, um ein Vielfaches verstärkt wird«, sagte Beatrix. »Ein echter Elefant ist etwas Seltenes, und es ist schwer, ihn über die Mauer von Muaraghal zu bringen.« Damit meinte sie die Gebirgskette, die Halruaa von den Landen im Osten trennte. »Wir haben es versucht und sind dreimal gescheitert.«
Matteo versuchte, sich nicht das Entsetzen anmerken zu lassen, das diese Neuigkeit in ihm auslöste. Elefanten waren seltene, wundersame Geschöpfe, und auch wenn sie weder über eine Sprache verfügten noch Magie beherrschten, hielten einige Weise sie für mindestens so intelligent wie Delphine. »Ihr wollt die Lebenskraft eines Elefanten in dieses Gerät übertragen?«
»Nein. Vielleicht die eines Esels oder eines durparianischen Kaufmanns«, antwortete die Königin in ihrem gleichmäßigen, ausdruckslosen Tonfall. »Sie sind sich alle sehr ähnlich.«
Aus dem Mund einer anderen hätte das wie ein boshafter Scherz geklungen, doch Matteo erkannte, daß Beatrix nur schlichtweg die Wahrheit sprach.
»Wer baut das alles?« fragte er und wies auf die Ansammlung kurioser Objekte.
»Ich lasse Handwerker und Magier kommen, wenn ich ihre Dienste benötige. Im Moment ist niemand von ihnen hier«, fügte sie an, obwohl der Zusatz überflüssig war.
Beatrix schien ihre Isolation nicht zu stören, doch für Matteo wirkte das unnatürlich. »Im Saal des Königs wird musiziert und gefeiert«, sagte er. »Erlaubt Ihr mir, Euch dorthin zu geleiten?«
Sie dachte nach, dann legte sie eine zierliche weiße Hand an seine Taille. »Ich sollte etwas essen«, erwiderte sie, als überlege sie, wieviel Zeit verstrichen sein mochte, seit sie zum letzten Mal über derartiges nachgedacht hatte.
Er nickte und ging, um an die schwere Tür zu klopfen. Der Wachmann ließ sie aus dem Saal, dann gingen sie Seite an Seite durch den langen Korridor. Jeder der mechanischen Drachen verbeugte sich, als die Königin vorüberging, und senkte den metallenen Kopf so weit, daß das rostige Horn über den Boden kratzte.
Ihr Erscheinen im Zalathorms Saal sorgte für Aufregung. Einen Moment lang verstummte jegliche Unterhaltung, was im gesitteten Halruaa so auffällig war wie eine Schießpulverexplosion an jedem anderen Hof. Der König entschuldigte sich rasch bei seinen Höflingen und kam nach vorne. Er hatte die Hände ausgestreckt, und in seinen alterslosen Augen leuchteten Jugendlichkeit und Hoffnung auf.
»Beatrix, meine Liebe – welch höchst unerwartetes Vergnügen.«
Die Königin reagierte mit einem kurzen, distanzierten Nicken, doch sie legte die Hände in seine. Matteo trat ein paar Schritte zurück, während sie sich kurz unterhielten und Beatrix in kühlen, knappen Sätzen antwortete.
Kurz darauf entschuldigte sie sich und hob die Hand, um einen Diener zu sich zu rufen, der ein Tablett mit Kelchen und Früchten trug. Der König seufzte und wandte sich Matteo zu.
»Begleite mich«, sagte er abrupt.
Der junge Mann ging neben ihm her, und gemeinsam verließen sie den Saal und traten in einen Nebenraum, der wiederum zu einem hängenden Garten führte. Der König blieb erst stehen, als sie das Geländer erreicht hatten und die Stadt vor ihnen lag, die von magischen Lichtern funkelte.
»Beatrix war nicht immer so, mußt du wissen«, sagte Zala-thorm plötzlich. Sein Blick ruhte auf der Stadt. »Als sie vor fünfzehn Jahren in die Stadt kam, war sie wundervoll. So hübsch, so von Licht erfüllt.«
Matteo nickte. Über die Jahre hatte Zalathorm viele Königinnen gehabt. Beatrix war die bisher letzte. In den frühen Jahren ihrer Herrschaft war ihr wegen ihrer Intelligenz und ihres Mutes große Bewunderung entgegengebracht worden. Sie war die Tochter eines zurückgezogen lebender Magier, die in einem entlegenen Bergdorf zu Hause gewesen waren, und die einzige Überlebende eines Angriffs der Crinti-Plünderer. Sie sprach nicht über ihre frühen Jahre vor diesem Zwischenfall, doch man hatte
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