Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
weiter. Ihr habt eine Diebin angeheuert, damit sie für Euch den Talisman holt.«
»Für wen haltet Ihr mich? Ich habe einige Gefängnisse kennengelernt und möchte nicht dafür verantwortlich sein, daß jemand meinetwegen dorthin geschickt wird«, sagte sie finster. »Ich heuerte Tzigone an, damit ich von ihr lernen und mich allein auf die Suche nach dem Medaillon machen konnte.«
Basel nickte zufrieden. Diese Frau hatte für Keturah ihr Leben riskiert. Sie war genau die Art Freundin und Verbündete, die Tzigone brauchte. »Nun, offensichtlich war Dhamari Exchelsor nicht mehr im Besitz des Talismans. Er hatte ihn Keturahs Tochter zurückgegeben.«
Die Verwirrung in Sinestras Gesicht wich nur Momente später der plötzlichen Erkenntnis. »Bei der Mutter Mystra«, hauchte sie. »Deswegen fühlte ich mich zu Tzigone hingezogen. Von dem Moment, da ich sie das erste Mal traf, kam sie mir vor wie eine alte Freundin. Sie ist nicht halb so schön wie ihre Mutter, aber sie haben das gleiche Lachen und den gleichen widerborstigen Charakter.« Sie riß erschrocken die Augen auf. »Ihr sagtet, Dhamari habe ihr den Talisman gegeben? Er weiß von ihr?«
Basel hatte mit einem Mal ein sehr schlechtes Gefühl. »In diesem Moment ist sie bei ihm.«
Die Frau sprang vom Bett auf und ergriff Basels Tunika mit beiden Händen. »Schafft sie fort von ihm!«
Ihm entging nicht, daß eine Spur Hysterie sich in ihre Stimme geschlichen hatte. Während er gegen die in ihm selbst aufkeimende Panik ankämpfte, blieb seine Stimme leise und ruhig. «Sagt es mir.«
»Ich kann wirklich nicht.« Sie ließ seine Tunika los. Ein stiller Kampf glitt über ihr schönes Gesicht und machte einer plötzlichen Entschlossenheit Platz. »Ich kann es Euch nicht sagen, aber Ihr könntet es Euch selbst ansehen. Geht zu Keturahs Turm und dort in Dhamaris Arbeitszimmer. Dann werdet Ihr verstehen, warum ...«
Sinestras Stimme brach abrupt ab. Ein Schauder lief über ihren Körper, sie rollte mit den Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Von heftigen Zuckungen gepeinigt, fiel sie zu Boden und krümmte den Rücken mit solcher Gewalt, daß Basel ihr Rückgrat brechen hören konnte. Ihr Leiden war gnädig kurz. Basel kniete sofort neben ihr nieder, doch ihr Körper war bereits schlaff und leblos geworden.
Der Magier fluchte leise. Viele seiner Kollegen belegten ihre Diener mit Zaubern, damit diese keine Geheimnisse verraten konnten. Offenbar war jemand bei ihr noch viel gründlicher vorgegangen. Bereits das wenige, was Sinestra gesagt hatte, hatte ausgereicht, sie zum Tode zu verurteilen.
Basel streckte eine Hand aus, um die Augen der mutigen Frau zu schließen. Doch in dem Moment, in dem er sie berührte, verwandelte sie sich in Nebel, der sich rasch verzog. Eine weitere Vorsichtsmaßnahme. Ohne einen Leichnam, den man untersuchen konnte, war es extrem schwierig, die Herkunft des todbringenden Zaubers nachzuvollziehen.
Er erhob sich jäh. Dieses Rätsel würde warten müssen, bis er drängendere Aufgaben bewältigt hatte.
Es gab keine magischen Tore zwischen seinem Turm und dem von Keturah, da er keine Pfade benutzen wollte, denen auch andere Magier folgen konnten. Basel war seit Jahren nicht mehr geritten, doch er stieg eilig auf sein schnellstes Pferd und ritt zum Turm von Keturah. Die Wache am Tor informierte ihn, daß Dhamari nicht anwesend war, doch es kostete Basel nur wenig Mühe, dennoch hereingelassen zu werden. Wenn er es genau betrachtete, dann hatte er in den Augen des Mannes einen hoffnungsvollen Glanz entdeckt.
Basel eilte die Stufen hinauf in den Raum, in dem Dhamari seine Tränke anrührte. Der Raum war größer als das durchschnittliche Arbeitszimmer eines Magiers, doch auf den ersten Blick schien es an nichts zu fehlen. Das Zimmer war zudem in einem für einen Magier ungewöhnlich ordentlichen Zustand. Phiolen, Behältnisse und Töpfe waren mit größter Sorgfalt in Reih und Glied aufgestellt worden. Eine Schmetterlingssammlung hing an einer Wand, jedes Tier war fein säuberlich auf der großen Korkplatte festgesteckt worden. Basel schnaubte verächtlich angesichts einer solchen Trophäensammlung, auf die nur wenige Männer stolz gewesen wären.
Und doch weckte irgend etwas an dem Anblick seine Aufmerksamkeit – vielleicht ein Gefühl, daß irgend etwas Grundlegendes bei diesem Hobby fehlte. Basel ging an der Korkwand entlang und betrachtete die Sammlung genau. Zuerst wirkten die Farben der Schmetterlinge schwindelerregend und
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