Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
entkommen!«
»Eine Freundin, ja«, sagte die Frau und verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln. »Eine Dame, nein.«
Eine alte Geschichte kam ihm ins Gedächtnis. Kurz nach ihrer Hochzeit mit Dhamari war Keturah mit einer Gruppe von Exchelsor-Kaufleuten in Basels Heimatstadt Halar gereist. Einer der zur Begleitung angeheuerten Wachmänner hatte auf grobe Weise Hand an sie gelegt – und durch ihre Verteidigungsmagie beide Hände bis zu den Ellbogen verloren. Ihre Verärgerung wuchs, als ihr der Meister der Karawane erklärte, der Söldner habe sie mit der Lagerdirne verwechselt. Eine kurze Unterhaltung mit eben dieser »Dirne« überzeugte Keturah davon, daß sie dieses Leben nicht gewählt hatte. Sie hatte darauf bestanden, daß die Frau in ihre Obhut entlassen wurde, hatte ihr eine Arbeit in ihrem Turm gegeben und in aller Stille das magische Talent der Frau gefördert.
»Eine Kurtisane kann noch immer eine Dame sein, ungeachtet der Umstände ihrer Geburt oder ihres Berufs«, betonte Basel.
»Kurtisane!« sagte sie verächtlich. »Das ist immer noch zu hoch gegriffen! Meine Mutter konnte für sich diesen Titel in Anspruch nehmen. Sie war die Geliebte eines Magiers. Ratet mal, was das aus mir macht?«
»Ob unehelich oder nicht, wenn Ihr den Namen und die Herkunft Eures Vaters kennt, müssen Euch gewisse Rechte und eine Magierausbildung zugestanden werden.«
»Oh, ich kenne den Namen, aber er hatte in eine mächtige Familie eingeheiratet und wollte diese nicht in Verlegenheit bringen. Also wurde ich weggeschickt. Ich wurde an die Firma eines Kaufmanns abgetreten, sozusagen als mobile Belustigung.«
Die Schwere dieser Enthüllung ließ Basel verstummen. Alles, was er hätte darauf antworten können, hätte einen solchen Verrat nur beschönigt.
Nach einem Moment zuckte Sinestra mit den Schultern. »Eine alte Geschichte, schlecht erzählt. Was immer Ihr mit mir vorhabt, bringt es rasch hinter Euch.«
»Das einzige, was ich will, ist eine Erklärung. Warum seid Ihr hergekommen, um Keturahs Talisman zu suchen?«
»Das stimmt nicht. Ich habe nach Tzigone gesucht.«
Basel betrachtete die Frau. Sie verwandelte sich bereits in ihr verzaubertes Äußeres zurück. Ihr Haar wurde allmählich schwärzer, ihre blasse Haut glättete sich und nahm wieder die goldene Färbung an. Er hatte schon früher mit derartigen Tarnzaubern gearbeitet. »Wenn ich mich nicht irre, benutzt Ihr einen von Keturahs Zaubern.«
»Ich bin nicht so talentiert«, stimmte sie ihm zu. »Es ist ein permanenter Zauber. Außer dem Pulver, das Keturah mir gab, existiert nichts, was gegen ihn wirken kann. Ihr könnt mir glauben, daß ich von dem Pulver nur sehr sparsam Gebrauch mache! Das Medaillon gehört in gewisser Weise mir. Ich hatte es für Keturah gekauft. Sie war eine gute Freundin und eine großzügige Herrin. Ich bewahrte jede Münze auf, die sie mir gab, um sie sparen, damit ich ihr eines Tages alles hätte zurückzahlen können.«
Etwas an ihrem Tonfall beunruhigte Basel. »Warum habt Ihr geglaubt, daß das einmal notwendig werden würde?«
Sinestras Gesicht hatte wieder das junge und hübsche Aussehen zurückerlangt, und sie verzog es frustriert. »Das kann ich Euch nicht sagen.«
»Ich verstehe«, meinte Basel nachdenklich. »Vielleicht könnt Ihr mir aber sagen, was Ihr mit Keturahs Talisman vorhattet?«
»Es gibt viele Formen der Sklaverei«, sagte sie daraufhin. »Manche Käfige sind vergoldet, doch am Ende gibt es kaum einen Unterschied zwischen Gold und Eisen. Wie gut kennt Ihr meinen Ehemann?«
»Nicht sehr gut.«
»Dann schätzt Euch glücklich. Mit diesem Talisman könnte ich mich vielleicht von seinen wachsamen Blicken befreien. Es wäre wundervoll, wenn ich ein oder zwei Stunden nur für mich allein hätte.«
»Ihr könntet Euch mit seiner Hilfe auch einfach wieder neu erschaffen und woanders ein neues Leben beginnen, so wie Ihr es schon einmal getan habt.«
»Vielleicht«, sagte sie unverbindlich.
»Ihr habt angenommen, Tzigone hätte diesen Talisman?«
»Warum hätte ich das tun sollen?« fragte sie und zog irritiert die Augenbrauen zusammen. »Nachdem Keturah gefangengenommen worden war, wurde ihr Hab und Gut zu Dhamari Exchelsor gebracht. Von ihm wollte ich ihn stehlen, und ich heuerte Tzigone an ...« Sie hielt abrupt inne und biß sich in offensichtlicher Verwirrung auf die Unterlippe.
»Kein Grund zur Aufregung. Ich weiß längst, daß Tzigones Methoden ein wenig jenseits der Legalität liegen. Sprecht
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