Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
jadegrünes Haar war lang und geflochten. Sie trug eine einfache Tunika und schlichte Stiefel und ähnelte kaum der stets edel frisierten und gut gekleideten Bluthündin, die Procopio zwei- oder dreimal gesehen hatte. Procopio war kein Experte, was das Alter von Elfen anging, doch diese Frau schien nach menschlichen Maßstäben um zwei, wenn nicht gar drei Jahrzehnte gealtert. Ihre Haut war dünn und zart. Winzige Falten sammelten sich in den Winkeln ihrer katzenartigen Augen, und unter den spitzen Wangenknochen sah er tiefe Schatten. Dennoch – wie viele grünhaarige Elfen konnte es sonst noch in Halruaa geben?
Procopio begrüßte sie mit ihrem Namen. »Das ist ein höchst unerwartetes Vergnügen. Möchtet Ihr eine Erfrischung? Wein? Vielleicht einen Eimer Hafer?«
Kiva stieg vom Pferd und schlug ihm mit der flachen Hand auf die Flanke. Das geflügelte Geschöpf setzte sich in einen leichten Galopp, und nach vielleicht vier Schritten begann es sich rasch zu verkleinern und erhob sich in die Luft. Es schrumpfte auf die Größe einer Biene zusammen und verschwand dann ganz.
Noch nie war es Procopio in den Sinn gekommen, daß jemand über die Magie seiner Spieltische die Verteidigung seines Turms durchbrechen könnte. Er war verärgert und beeindruckt zugleich. »Ich würde sehr gut für eine Kopie dieses Zaubers und den Namen des Mannes bezahlen, der ihn entwickelt hat«, bemerkte der Magier.
Die Elfe grinste schief. »Wenn ich ihn verkaufen würde, würde ich nicht einen hölzernen Skie darauf verwetten, daß der Mann den nächsten Neumond überlebt.«
Procopio brummte. »Wir sollten uns wichtigeren Dingen zuwenden. Mein ehemaliger Ratgeber Iago bestätigt, daß Ihr ihn von einer Bande Crinti-Jägerinnen freigekauft habt. Ihr habt eine Allianz mit den Crinti geschlossen, oder zumindest bestehen gewisse Abmachungen zwischen Euch und ihnen.«
»Und Ihr habt eine besondere Vorliebe für die Schattenamazonen«, gab Kiva zurück. »Noch wichtiger ist aber, daß Ihr die Bereitschaft gezeigt habt, Informationen auszutauschen. Eure Bemerkung über Aktivitäten jenseits des östlichen Walls hat zu einigen recht interessanten Möglichkeiten geführt. Was könnt Ihr mir sonst noch geben?«
»Was wollt Ihr haben?« fragte Procopio ohne Umschweife.
Kiva zwinkerte, da sie von einem halruaanischen Magier eine derartige Direktheit nicht erwartet hatte. »Viele Dinge. An erster Stelle vermutlich die Vernichtung der Kabale.«
Nun war es an Procopio, erstaunt zu sein. »Wie sollte das erreicht werden?«
»Helft mir, Zalathorm vom Thron zu stoßen, dann werde ich es Euch zeigen.«
Keine Antwort hätte ihn mehr erfreuen können. Auf der anderen Seite erschien es ihm zu fast zu leicht, wie nahtlos seine Absichten und die der Elfe ineinander griffen.
Er legte die Stirn in Falten. »Gehen wir einmal davon aus, ich würde wirklich ein so dummes und verräterisches Ziel verfolgen. Der einzige Anreiz, der groß genug wäre, wäre Zalathorms Krone. Welchen Grund solltet Ihr haben, mich zu unterstützen?«
»Überhaupt keinen«, erwiderte sie schulterzuckend. »Mich kümmert nicht, wessen Hintern den Thron von Halruaa warmhält. Ihr habt etwas, das ich haben will, Zalathorm nicht.«
»Und das wäre?« fragte er argwöhnisch.
»Ihr kennt die Crinti«, sagte sie und zeigte auf einen der älteren Tische. »Einst waren sie für mich noch Nutzen. Aber sind es zu viele geworden, zu kühn. Durch Höhlen und über Gebirgspässe dringen sie in Scharen in den Nath vor.«
»Warum sollte mich das berühren?«
»Diese Aktivitäten könnten sich durchaus nach Osten fortsetzen. Wenn Eure Magierkollegen von der bevorstehenden Invasion durch die Mulhorandi erfahren, verliert Ihr die Gelegenheit, eine Bedrohung vorherzusagen, die Zalathorm nicht erkannt hat. Helft mir mit den Crinti, und Ihr dient Euch selbst.«
Procopio bemühte sich, seine Begeisterung zu verbergen. Ein Kampf gegen Crinti-Kriegerinnen! Hundertmal hatte er von einem solchen Kampf geträumt. Er hatte Strategien entwickelt und deren Ergebnisse sorgfältig geprüft. Auf eine solche Gelegenheit hatte er so lange gewartet! Doch er hielt seine Stimme gedämpft und wahrte seine skeptische Miene. »Was genau würde ich für Euch tun?«
»Ihr seid der Oberbürgermeister dieser Stadt. Zweifellos untersteht eine Miliz Eurem Befehl. Behauptet, Eure große Macht als Erkenntniszauberer habe Euch eine Bedrohung durch die Crinti gezeigt. Behauptet, Ihr wärt durch Eure Studien besser als
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