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Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr

Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr

Titel: Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Cunningham
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umsehen. Es überraschte nicht, daß Tzigone höchst erleichtert wirkte, sich aus seiner Gegenwart zurückzuziehen. Procopio wußte, daß Menschen, die Geheimnisse hatten, meist einen großen Bogen um mächtige Erkenntniszauberer machten – und das aus gutem Grund. In Kürze würde er mit den dunkelsten Winkeln der Seele dieser knabenhaften jungen Frau vertraut sein. Procopio hob rasch seinen goldenen Weinkelch, um das Lächeln zu verdecken, das er nicht unterdrücken konnte.
    »Ich nehme an, dein neuer Lehrling wird deinen Erwartungen gerecht?«
    Basel lächelte amüsiert. »Sie macht sich gut. Aber nach ihrem Erfolg mit dem Laraken müßte sie schon Armdrücken mit einem roten Drachen machen, um den Erwartungen gerecht zu werden.«
    »Ja, der Laraken«, sagte Procopio. »Diese Geschichte würde ich gerne aus dem Munde des Mädchens hören. Persönlich. Ohne ein großes Publikum, das sie dazu bringen könnte, das Erlebte zusätzlich auszuschmücken. Dein Einverständnis vorausgesetzt.«
    Basel Indoulur konnte die Bitte nicht ausschlagen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, gegen mindestens ein Dutzend Protokolle zu verstoßen. Natürlich bewegte sich Procopio am Rande des Erlaubten, aber darauf konnte Basel ihn nicht aufmerksam machen. Statt dessen legte er die Fingerspitzen an die Schläfe, um einen verschlagenen Hellseher zu imitieren. »Ich sehe ein Armdrücken zwischen meiner Schülerin und einem roten Drachen. Bei Mystra! Ich sehe Tzigone, die neue Stiefel aus Drachenleder trägt.«
    »Ich bin vorgewarnt«, sagte der Erkenntniszauberer trocken.
    Er ging hinüber zum Gitterzaun, wo Tzigone mit verschränkten Armen stand und den rankenden Jasmin betrachtete, als hätte sie mit ihm eine Rechnung offen.
    Er betrachtete sie eindringlich und versuchte, sich an Ke-turahs Gesicht zu erinnern und in den Zügen des knabenhaften Mädchens etwas zu entdecken, das sein Gedächtnis auffrischte. Tzigone wandte sich um und erwiderte seinen prüfenden Blick. Ein Funkeln blitzte in ihren Augen auf – die scheue, instinktive Vorsicht eines Tiers, das einen Jäger wittert.
    Procopio Septus lächelte freundlich. »Ich habe deine Darbietung auf der Avariel gesehen. Mutig.«
    Sie zuckte die Achseln, sah ihn nur an und wartete darauf, daß er auf den Punkt kam. Procopio kam näher und beschrieb mit einer Hand verstohlen die Gesten für einen einfachen Zauber, der einen allgemeinen Eindruck von den magischen Kräften und den moralischen Neigungen einer Person vermittelte. Es war ein simpler Zauber, aber zugleich auch eine massive Verletzung der Gastfreundschaft. Man ging so nicht mit einem Gast um.
    Zu Procopios Erstaunen blieb der Zauber ohne Wirkung. Entweder war die junge Frau mächtig genug, um sich seiner Kunst zu widersetzen, oder sie war magisch so tot wie ein Klumpen Lehm.
    Fasziniert wandte Procopio sich einem stärkeren Zauber zu und forschte intensiver, drang tiefer vor und bediente sich einer Magie, die den Widerstand eines jeden Verstandes überwinden konnte. Dieser Zauber war so zudringlich, daß eine Halruaanerin weniger empört gewesen wäre, wenn ein Fremder ihr zwischen die Schenkel gegriffen hätte. Doch selbst er führte zu keinem Resultat.
    Aber er blieb nicht ohne Reaktion. Tzigones Augen flammten vor Zorn auf. »Hör auf«, sagte sie mit leiser, bedrohlicher Stimme. »Wenn du das noch einmal versuchst, reiße ich dir den Arm ab und stecke ihn in deinen ... Zauberbeutel.«
    Trotz seines Fehlverhaltens war Procopio nicht bereit, so mit sich reden zu lassen. Er richtete sich würdevoll auf. »Du vergreifst dich im Ton! Ich hätte nicht erwartet, den Tag zu erleben, an dem ein grünschnäbliger Lehrling so mit einem Meistermagier redet.«
    »Tatsächlich?« zischte sie. »Dann muß der heutige Tag ja eine richtige Überraschung sein.«
    Ehe Procopio reagieren konnte, ballte sie die kleine, mit Tintenflecken übersäte Hand und schleuderte sie in sein Gesicht.
    Er war sicher, daß seine magischen Schilde intakt gewesen waren. Darum konnte er nicht verstehen, wieso er plötzlich rücklings auf dem Pflaster lag, sein Kopf von dem Aufprall dröhnte und sein ganzes Gesicht ein einziger Schmerz zu sein schien.
    Die sich überschlagenden Gedanken erbrachten keine Antwort auf dieses Rätsel. Nach einem Augenblick schaffte er es, sich aufzusetzen. Er legte eine Hand an seinen Unterkiefer und bewegte ihn vorsichtig.
    Basel kam angestürmt, sein Gesicht zuckte vor Emotionen. »Ich bin entsetzt, mein Freund! Fassungslos!

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