Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
erleichtert lächelnd. Farrah lachte herzlich und klatschte in ihre mit Juwelen besetzten Hände.
»Es steckt mehr dahinter, als du weißt«, sagte Basel Indoulur und war mit einem Mal ernst. »Erkenntniszauber sind in Halruaa so an der Tagesordnung wie Regen während eines Monsuns, aber es gibt Regeln und Grenzen. Procopio setzt sich darüber hinweg. Ein hungriges Straßenbalg riskiert, daß man ihm eine Hand abschlägt, wenn er einem Reichen die Riemen seiner Tasche durchschneidet, um an sein Geld zu gelangen. Aber der mächtigste aller Magier darf einfach in den Geist eines anderen eindringen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Procopio hat das schon bei einem meiner früheren Lehrlinge gemacht«, sagte Basel und sah zu Farrah, »und ich ahnte, daß er der Herausforderung nicht aus dem Weg gehen würde, die du für ihn darstellst. Es war längst überfällig, ihn mit der Nase darauf zu stoßen, daß nicht jeder seine Arroganz unwidersprochen hinnimmt.«
Basel wurde noch ernster. »Verzeih mir, daß ich dich einer solchen Entwürdigung ausgesetzt habe. Ich hatte nicht erwartet, daß Procopio so weit gehen würde, auch wenn ich damit hätte rechnen sollen.«
Tzigone atmete sichtlich erleichtert auf und umarmte Basel rasch. Dann entschied sie sich für ein silbern glänzendes, langes, schmales Messer, das perfekt ausbalanciert war und das sich zum Nahkampf ebenso gut eignete wie als Wurfmesser. »Ich wußte doch, daß ich dem Schlag noch einen Tritt in seine Lenden hätte folgen lassen sollen.«
»Ich bin froh, daß du es nicht getan hast«, erwiderte Basel. Seine schwarzen Augen funkelten verschmitzt, während er die nötigen Münzen abzählte. »Dann hätte ich dir nämlich die Avariel überschreiben müssen.«
FÜNFTES KAPITEL
M atteo folgte Andris länger, als er erwartet hatte. Am ersten Tag hatte er seinen Hengst ungezügelt laufen lassen, bis er ihn schließlich hatte bremsen müssen, damit Cyric nicht die ganze Nacht durch weitergaloppierte. Am zweiten Tag erschwerten ihm heftige Regenfälle das Vorankommen und verwischten die Spur. Matteo war ein guter Fährtenleser, aber wenn er Andris nicht so gut gekannt hätte, hätte er ihn schon längst verloren. Es war seit geraumer Zeit nicht mehr die eigentliche Spur, der er folgte, sondern es waren die kleinen Tricks und Ablenkungen, mit denen der Jordain versucht hatte, die Fährte zu verwischen. Auf sie wurde Matteo aufmerksam und konnte ihnen folgen.
Am dritten Tag bestand kein Zweifel mehr an Andris’ Ziel. Der Jordain war eindeutig auf dem Weg zum Tempel des Azuth, so wie es ihm aufgetragen worden war. Das ergab keinen Sinn. Wenn Andris sich den Inquisitoren stellen wollte, warum hatte er sich dann ohne ein Wort davongeschlichen?
Die letzten goldenen Sonnenstrahlen trafen auf die hohe Kuppel der Azuth-Kathedrale, als Cyric auf das Tempeltor zustürmte. Matteo nannte dem Wächter am Tor seinen Namen und sein Begehr, dann wartete er, bis der Mann mit einem Priester zurückkehrte.
Nach einer Weile kam ein älterer Mann ans Tor. Er trug das graue Gewand der Jünger des Azuth. Matteos Blick fiel auf das heilige Symbol über seinem Herzen: eine Männerhand, den Zeigefinger erhoben und von Flammen umgeben. Die Flammen der Stickerei waren nicht aus Seide, sondern aus magischen Fäden, die sprangen, tanzten und tiefrotes Licht ausstrahlten. Die Farbe der Flammen bestimmte den Rang. Matteo sah, daß sein Gegenüber Hohepriester war. Angesichts der Rolle, die Matteo bei der Gefangennahme Kivas gespielt hatte, war es angemessen, daß er von einer so hochrangigen Person empfangen wurde.
Der Priester begrüßte ihn so hastig, daß er ihm nicht einmal seinen Namen nannte. Er schob Matteo vor sich her in ein Arbeitszimmer und schloß die Tür. Matteos Verwirrung wuchs, während der Priester zu beten begann und monoton von Azuth festgelegte Zauber sang, um den Raum vor magischem Eindringen zu schützen.
Schließlich konnte Matteo seine Neugier nicht mehr zügeln. »Fürchtet Ihr, irgendein Magier könne in diesen heiligen Ort eindringen? Das ist verboten.«
»Verboten oder nicht, solche Dinge geschehen dennoch.« Der Priester sank in einen Sessel und bedeutete Matteo, sich auch zu setzen. »Der Mann, den Ihr sucht, der Jordain Andris ... er wurde nicht im Tempel vorstellig.«
»Er versicherte mir, er würde herkommen.«
»Das habt Ihr der Torwache auch gesagt. Ihr sagtet aber auch, Andris habe versprochen, nicht vor dem nächsten Morgen das Kolleg zu
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