Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
sprach Tzigone den Zauber.
Wie erwartet erfaßte das Prisma ihren kleinen Zauber und verstärkte ihn. Alle Federkiele erhoben sich von selbst in die Luft und tauchten in die Tinte, stiegen wieder ein Stück nach oben, spritzten die Tinte auf die Pergamentblätter und füllten sich auf. Nach kürzester Zeit war der Zauber auf jedes verfügbare Blatt Pergament übertragen.
Aber die Federkiele wollten nicht von ihrem Werk ablassen. Sie begannen, die Tinte auf Wände, Seidenvorhänge, Spiegel und Decke zu verteilen. Sie trafen erneut das Portrait der mittlerweile schnauzbärtigen Vorfahrin Indoulurs, und sie trafen auch die Zauberwirkerin selbst.
Tzigone spie ein Ladung Tinte aus und wollte nach dem Prisma greifen, wurde aber von einer Reihe von Federkielen getroffen, die erneut in ihr Tintenfäßchen eintauchen wollten. Sie wechselte daraufhin die Taktik und begann, auf alle Tintenbehältnisse den Korken zu setzen.
Das erwies sich auf den ersten Blick als hilfreiche Vorgehensweise, doch einige Kiele, die wieder eintauchen wollten, trafen den Korken und blieben stecken. Sie versuchten, sich aus der mißlichen Lage zu befreien, und zerrten so heftig, daß die Fäßchen auf dem Tisch umhertanzten.
Tzigone griff nach dem letzten Fläschchen und tauchte zur Seite weg, als ein großer, spitzer Kiel auf sie zugeschossen kam. Sie drückte den Korken hinein und machte einen Satz, um dem Kiel auszuweichen. Zu ihrer Verärgerung folgte ihr der Kiel und zuckte so agil hin und her, daß er an den Flug einer Zwielicht-Fledermaus erinnerte.
Weitere Kiele schlossen sich der Verfolgungsjagd an – die achtlos weggeworfenen Kiele auf dem Boden, noch nicht angespitzte Exemplare aus einer Schublade, Federn, die sich in einer Ecke aus einem gewaltigen ausgestopften Silberreiher losrissen. Als Tzigone in die Nähe des Portraits von Indoulurs ferner Verwandter kam, sprangen die Pfauenfedern aus dem Gemälde und gingen mit auf die Jagd.
Es gab keine andere Lösung, als sich der Tinte zu entledigen, auch wenn eine Flasche Zaubertinte soviel wert war wie Tzigone in Perlen aufgewogen. Sie hob die Flasche, zielte auf ein offenes Fenster und schleuderte sie fort.
Die Federkiele folgten dem Wurfgeschoß, und als sie fort waren, ging Tzigone zum Fenster und lehnte sich hinaus. Sie sah, wie das Fläschchen mit den Kielen in den Gartenteich stürzte, dessen Wasser Momente später eine Lavendelfärbung annahm.
Sie ging vom Fenster fort und stieß eine Reihe von Flüchen aus, die sie über die Jahre hinweg von den unterschiedlichsten Streunern und Wanderschauspielern gelernt hatte. Mitten in einem besonders derben Fluch hielt sie inne. Ihr neuer Meister stand in der Türöffnung und betrachtete sie erstaunt mit weitaufgerissenen, schwarzen Augen.
Basel stand schweigend da. Tzigone empfand das als irritierend, da der Magier sonst immer in Bewegung war – seine mit Perlen durchflochtenen Zöpfe strichen über seine Schultern, das Doppelkinn wackelte als Reaktion auf sein häufiges Lachen. Jetzt lachte er nicht.
Tzigone folgte seinem Blick, der den verwüsteten Raum erfaßte. Jetzt, da sie Zeit hatte, sich umzusehen, war sie überrascht, welches Ausmaß das Chaos hatte. Reichtum und die schönen Dinge, die man sich dafür kaufen konnte, bedeuteten ihr nichts, aber sie wußte, daß nur wenige ihre Auffassung teilten.
Basel ging langsam durch den Raum und blieb vor dem verunzierten Bild stehen. Er drückte die Schultern durch.
Tzigone seufzte. Es gab nur wenige Dinge, die einen Halruaaner mehr erzürnen konnten, als wenn man seine Ahnen schmähte. »Ihr müßt es nicht sagen. Ich packe.«
Der Beschwörer räusperte sich und drehte sich um. »Du hast meiner Großtante einen Schnauzbart verpaßt.«
Sie zuckte leicht die Achseln.
»Das ist wirklich eine Schande, vor allem, wenn man bedenkt, welche Mühe es sie kostete, den echten loszuwerden.«
Die Stimme des Magiers hatte etwas Ersticktes, und mit einem Mal hatte Tzigone das Gefühl, er unterdrücke nicht Zorn, sondern Belustigung.
»Die Tinte sollte sich spurlos entfernen lassen, und es wird mir vermutlich auch gelingen, die Pfauenfedern ins Bild zurückzubekommen«, schlug sie vor.
»Auf keinen Fall! Als kleiner Junge war es mir immer zuwider, meiner Großtante Aganzard einen Gutenachtkuß zu geben, da sie immer so viele Federn trug, daß mindestens ein Vogel sein gesamtes Federkleid geopfert haben mußte. Meine Nase juckt, wenn ich nur daran denke. Es tut mir im Herzen gut, sie endlich
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