Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
einmal ohne dieses Federzeugs zu sehen.« Dann wechselte Basel den Tonfall und klang, als sei er bereit, das Geschehene auf sich beruhen zu lassen. »Sind die Schriftrollen fertig? 27 Kopien?«
»Mindestens.«
»Schön, schön«, sagte er gutgelaunt. »Da du die Arbeit für heute erledigt hast, darfst du dir etwas gönnen.«
Tzigone war sprachlos. Zwar war sie froh, daß der Magier nicht wütend war, aber sie hatte nicht damit gerechnet, für die Verwüstung seines Arbeitszimmers auch noch belohnt zu werden.
»Wir steigen mit der Avariel auf«, fuhr er fort und sprach damit das Himmelsschiff an, das Tzigone seit ihrem ersten Tag in Basels Turm bewundert hatte. »Ich will Procopio Septus, dem Oberbürgermeister Halarahhs, einen Besuch machen und dich ihm als meinen neuen Lehrling vorstellen. Du willst sicher erst baden und dich umziehen. Wenn Procopio auf die Idee kommt, wir könnten Trauben ausgepreßt haben, will er etwas von dem Wein abbekommen.«
Sie sah an sich herab. Ihr Gewand, ihre Tunika und die Arme waren mit Tintenflecken übersät. Ein Blick in den Spiegel verriet, daß ihr Gesicht nicht verschont geblieben war. Es war förmlich in purpurne Tinte getaucht– und bleich wie Pergament, als ihr klar wurde, daß die Aussicht bestand, noch einmal in Procopios Landhaus zu gelangen.
Tzigone konnte sich den kurzen Anflug von Panik nicht erklären. Sie hatte sich in das Gebäude geschlichen, als Matteo dort Dienst getan hatte. Es war nicht Schlimmes geschehen, aber sie mochte die Atmosphäre nicht, die das Haus ausstrahlte.
»Ich soll Procopio Septus begegnen?« wiederholte sie fragend.
»Es ist Tradition, seinen Lehrling vorzustellen. Damit demonstriere ich Respekt meinem Kollegen gegenüber. Ich habe auf den passenden Moment gewartet, und ich wage zu behaupten, daß er gekommen ist.«
Sie begann, Basels Absicht zu durchschauen. »Manchmal kann man eine Strafe nicht von einer Belohnung unterscheiden.«
»So ist es, meine Liebe«, sagte er mit schneidendem Grinsen. Er legte ihr väterlich den Arm um die Schultern. »Ich bin kein Erkenntniszauberer, aber ich kann mir vorstellen, daß es für euch beide eine passende Belohnung ist, wenn ich dich mit Procopio zusammenbringe.«
Tzigone folgte seinem Blick durch das Zimmer und mußte
einsehen, daß sie nichts dagegen einwenden konnte.
* * *
Procopio Septus war nicht erfreut, von Basel Indoulurs bevorstehendem Besuch zu erfahren. Als Meister der Erkenntniszauberei gehörte Procopio zu den angesehensten Magier in Halruaa. Beschwörungen, Basels Spezialität, waren nicht so hoch angesehen, doch Basel ließ sich einfach nicht davon beeindrucken, wenn Procopio versuchte, ihn auf seinen niederen Status hinzuweisen.
Procopio hatte das dumme Gefühl, daß sich diese Versuche nun rächen würden. Basel wollte sich zweifellos am Verlust Zephyrs weiden, eines alten Elfen-Jordain, der im Dienst Procopios gestanden hatte, kürzlich aber als Verräter an Halruaa hingerichtet worden war.
Ein solcher Vorfall war für jeden ehrgeizigen Mann eine Schande, erst recht aber für einen Erkenntniszauberer! Procopio hätte wissen sollen, was sich direkt vor seiner Nase abspielte, aber er hatte es nicht gewußt, und es gab keinen Weg, das zu beschönigen.
Er konnte auch nicht darüber hinwegsehen, welchen Ansehensverlust ein solches Scheitern mit sich brachte. Er hegte Absichten, Zalathorms Nachfolger auf dem Thron zu werden, doch es gab bereits Gerüchte, er solle als Bürgermeister von Halarahh durch einen anderen ersetzt werden! Wenn er nicht bald im Ansehen der anderen stieg, würden sich seine Träume in Nichts auflösen.
Nur das Wissen über ein Geheimnis würde ihm helfen, Basels Anwesenheit zu ertragen. Der Narr hatte Keturahs Tochter als Lehrling zu sich geholt!
Wegen seines hohen Amtes hatte Procopio von den Skandalen um Keturah gehört. Aber die waren in Vergessenheit geraten, nachdem die flüchtige Magierin und ihr Bastardkind gefaßt und nach den Buchstaben des Gesetzes bestraft worden waren. Doch erst vor kurzer Zeit hatte er von Cassia – einer Jordainin, die König Zalathorm als Oberste Ratgeberin zur Seite stand – erfahren, daß Keturahs Tochter noch lebte. Seitdem hatte Procopio alles daran gesetzt, die Identität des Mädchens in Erfahrung zu bringen – eine Aufgabe, die durch den Mord an Cassia deutlich schwieriger geworden war. Er hatte Geld, Magie und Einfluß in die Waagschale geworfen, um sicherzustellen, daß niemand das Geheimnis erfuhr, das
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