Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
Cassia ihm anvertraut hatte. Es war ein Risiko, das er einzugehen bereit war. Es war seine Geheimwaffe gegen Basel, wenn es irgendwann einmal erforderlich werden sollte.
Auch wenn Procopio ein umsichtiger Mann war, hoffte er doch, daß der Fall eintreten würde.
Er trat hinaus auf die Brüstung der Mauern rund um sein Landhaus, um die Ankunft des Beschwörers zu beobachten. Die Avariel kam schnell näher, ihre drei bunten Segel waren stark gebläht, als sich das Schiff vom Wind tragen ließ.
Während sich das Schiff näherte, bemerkte Procopio ein viertes, kleineres Segel, das mit mehr als einer Schiffslänge Abstand folgte. Verwundert griff er nach seinem Fernglas und richtete es auf das Himmelsschiff. Ein langes Seil reichte vom Heck des Schiffs bis zu einer kleinen Gestalt und von dort zu dem Segel aus bunter Seide, das vom Wind gebläht wurde und den Windtänzer in der Luft hielt.
Er hatte von dieser Sportart gehört, kannte aber niemanden, der mutig genug war, sie auch zu auszuüben. Er schob eine stärkere Linse ein, um die Gestalt besser erkennen zu können. Was er sah, veranlaßte ihn, seine Lippen zu einem schwachen Lächeln zusammenzupressen.
Das war Keturahs Tochter. Von weitem betrachtet wirkte das Mädchen mehr wie ein Straßenbalg denn wie das Kind der hübschen gefallenen Magierin. Das vom Wind zerzauste Haar war kurz geschnitten wie das eines Knaben, und der Körper, der sich unter der Tunika abzeichnete, machte auch einen eher knabenhaften Eindruck.
Procopio richtete seine Aufmerksamkeit auf das Deck des Schiffs. Dort stand Basel Indoulur mit einem seiner allgegenwärtigen Lehrlinge, und gemeinsam betrachteten sie das Treiben der jungen Frau mit erfreutem Grinsen. Ihre Bewunderung war keineswegs ungewöhnlich, immerhin war dieser »Straßenbalg« die Heldin von Akhlaurs Sumpf.
Geschichten über den Kampf verbreiteten sich wie vergossener Wein. Wer immer diesen Geschichten lauschte, strahlte vor Stolz, von den magisch toten Rothe-Hütern bis hin zum mächtigsten Magier. So stark ist die Magie Halruaas, daß sogar eine Streunerin, die in dieser Kunst gänzlich ungeübt ist, ein solch schreckliches Monster unterwerfen kann! Es wurden darüber Balladen auf den Plätzen, in den Festhallen und Palästen gesungen. Sogar die Azuth-Kleriker schreckten nicht davor zurück, die Heldentat in ihre Gesänge einzubeziehen!
Procopio fragte sich, wie Basel reagiert hätte, wenn er wüßte, daß sein neuer Lehrling Diebin, Vagabundin und überdies der Bastard einer Magierin war.
Es tat ihm gut, sich Basel Indoulurs Gesicht vorzustellen, wenn er davon erfuhr.
Das Himmelsschiff wurde langsamer, als es sich dem Dock auf der südlichsten Mauer von Procopios Anwesen näherte. Das Mädchen zog sich am Seil zurück an Deck, während Basel und sein Lehrling auf sie zukamen, um sie an Bord zu holen. Im letzten Moment verlor sie das Gleichgewicht und riß die beiden mit sich zu Boden, wo alle drei einen Moment lang ausgelassen lachend liegenblieben.
Angewidert legte Procopio das Fernglas weg und ging in seinen Hof, um seine »ehrenwerte Gäste« zu begrüßen.
Basel Indoulur kam als erster, seine dunklen Augen funkelten vor Vergnügen. »Seid gegrüßt, Meister Procopio. Wir kommen in Frieden und Freundschaft und werden innerhalb dieser Mauern keine ungebetene Magie wirken.« Er sah sich nach seinen Lehrlingen um.
Die waren insgesamt zu dritt: ein atemberaubend hübsches Mädchen aus der Familie Noor, ein Bürgerlicher und Keturahs Bastard. Die beiden ersten wiederholten den traditionellen Eid. Basel sah abwartend die junge Frau an, die nur die Achseln zuckte und dann sagte: »Gut, ich schließe mich dem an, was sie gesagt haben.«
Basel Indoulur schüttelte den Kopf und sah übertrieben gen Himmel. »Lord Procopio, du kennst Farrah Noor und Mason.
Dies ist Tzigone, mein neuester Lehrling. Ich bete, daß sie Halruaa so treu dienen wird, wie du selbst es getan hast.«
»Möge Mystra dich erhören. Aber was soll schon schiefgehen, wenn sie einen solchen Meister hat, der sie inspiriert?« fragte Procopio und lieferte mit ernster Miene, einem süffisanten Tonfall und sehr viel verborgen gehaltener Ironie die angemessene Reaktion auf Basels traditionelle Worte.
Einige Augenblicke lang gelang es beiden, Höflichkeitsfloskeln auszutauschen, ohne sich an ihnen zu verschlucken. Als Diener Kelche mit geeistem Wein und gekühltes Obst brachten, schlug Procopio vor, die Lehrlinge könnten sich nach Belieben im Garten
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