Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
aufgebaut, die gegen Magie unempfindlich waren, damit sie den Angriff auf Akhlaurs Sumpf durchführten. Was, wenn sie auch magische Schätze gehortet hatte? Das Ergebnis wäre ein gewaltiges Vermögen, aber auch mehr magische Feuerkraft, als die meisten Magi des Nordens in ihrem ganzen Leben und Tod zu Gesicht bekamen. Was mochte eine boshafte und zweifellos wahnsinnige Elfe mit einer solchen Macht anfangen?
Der Gedanke verursachte ihm Gänsehaut.
Es war zwar reine Spekulation, doch Procopio war Erkenntniszauberer und verspürte das vertraute Kribbeln einer Vorahnung. Auch wenn er vielleicht nicht in allen Einzelheiten richtig lag, war er doch sicher, daß sich etwas zusammenbraute.
Er eilte in Zephyrs spartanischen Raum und beschrieb rasch die Gesten eines Suchzaubers. Nirgends war ein verräterisches azurnes Leuchten zu sehen. Irritiert verstärkte er die Wirkung des Zaubers, aber wieder blieb er ohne Erfolg.
Procopio wirbelte herum und wollte gerade den Raum verlassen, als er auf dem Holzboden ein schwaches bläuliches Licht bemerkte.
Er kniete nieder und zog ein Messer mit schmaler Klinge, drückte es in den leuchtenden Spalt im Boden und öffnete eine Luke. In einem Fach darunter entdeckte er eine kleine Kristallkugel.
»Gesegnet sei Mystra«, hauchte er, als er sie hochhob. Es war eine Kugel des Sehens von der Art, wie sie für private Zwecke benutzt wurde. Selbst ein Bürgerlicher oder ein magisch toter Jordain konnte eine solche Kugel nutzen, die auf eine Person abgestimmt war und als einzige Magie eine simple Berührung erforderte. Zweifellos war dies Zephyrs Verbindung zu Kiva gewesen!
Procopio legte die Hände um die Kugel. Er befreite seinen Geist von allen Gedanken und beruhigte sein Herz. Nur wenige Erkenntniszauberer hatten sein Geschick entwickelt, aber Männer wie Procopio konnten Magie wahrnehmen, die bestimmten Dingen wie der Duft einer Blume anhing. Er horchte mit den geschärften Sinnen eines Magiers, die so präzise waren wie die Nase eines Jagdhunds, auf das schwache Echo des Einstimmungszaubers.
Procopio lächelte triumphierend, als der Zauber in sein Wissen überging. Er rezitierte rasch die Worte und blickte erwartungsvoll in die Kugel.
Wolken bildeten sich in der Kugel und wirbelten umher, teilten sich aber nicht, um den Blick auf ein Elfengesicht freizugeben. Die Magie war da, das wußte Procopio ohne jeden Zweifel, und die Botschaft war auch abgeschickt worden, aber am anderen Ende der Verbindung war keine Magie.
Bittere Enttäuschung ergriff von Procopio Besitz. Natürlich antwortete Kiva nicht! Wenn sie das Gegenstück zu Zephyrs Kugel mit in den Sumpf genommen hatte, war die Magie auf den Laraken übergegangen. Außerdem war sie Berichten zufolge aller Zauber beraubt worden. Sie hatte nicht mehr Macht als ein menschlicher Säugling. Procopio dachte über die magischen Objekte, die vom Spiegel der Herrin gestohlen worden waren, nach und überlegte, wie Kiva sie nutzen konnte. Kiva würde schnell lernen. In der Zwischenzeit mußte er andere Erkundigungen einholen, die gefährlicher waren als eine Unterhaltung mit einem betrügerischen Elfen.
Procopio kehrte in sein Arbeitszimmer zurück und öffnete einen verborgenen Schrank, aus dem er eine ausgefallene Flasche aus grünem Glas hervorholte. In der Flasche fand sich ein winziges, luxuriös eingerichtetes Zimmer, in dem eine winzige Frau saß, die die Kleidung einer calimshanischen Haremsdame trug.
Der Magier nahm ein kleines Stück Pergament und schrieb einige Runen darauf. Er rollte das Pergament zusammen, zog den Korken heraus und schob es in den Flaschenhals. Als es hineinfiel, schrumpfte es auf die Größe des winzigen Raums.
Die kleine Frau nahm den Zettel und rollte ihn auf. Sie warf den Kopf zurück, da sie aus vollem Herzen lachen mußte, dann verschwand sie in einer leuchtenden Rauchwolke.
Procopio nahm einen goldenen Ring vom Hals der grünen Flasche, die er sorgfältig wieder verschloß. Er steckte sich den Ring an und schloß die Augen.
Der Duft von Anis, Sandelholz und Rosen erfüllte die Luft. Procopio öffnete die Augen und fand sich in einer Welt wieder, die in grünes Licht getaucht war. Die Flasche war nicht der Hort eines dienstbaren Flaschengeistes, sondern ein Fenster in eine andere Dimension, an deren Schaffung Procopio jahrelang gearbeitet hatte. Der »Flaschengeist« war in Wahrheit eine Kurtisane, die ein wenig magisch begabt und voller Abenteuerlust war. Sie genoß die Herausforderung, Männer auf
Weitere Kostenlose Bücher