Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
daraus schließen, daß Ihr irgendwelche Macht über diesen Jordain besitzt, die Euch in die Lage versetzt, diese Nachricht von ihm zu erfahren?«
Procopio erkannte, in welche Richtung die Unterhaltung gehen sollte. »Eine dumme Schlußfolgerung.«
Der Priester fuhr ungerührt fort: »Nur die Inquisitoren des Azuth haben die Macht, in den Geist eines Jordain einzudringen. Vielleicht habt Ihr Potential. Wenn Ihr Euch im Tempel als Altardiener melden möchtet, würde ich Euer Gesuch unterstützen.
Der Erkenntniszauberer ließ Ymani seinen Spaß, würde ihn aber später dafür bezahlen lassen. »Das ist eine ernste Sache, die eigentlich nicht in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters von Halarahh fällt.«
»Ich habe ein persönliches Interesse daran«, sagte Procopio unumwunden. »Ein Elfen-Jordain in meinem Dienst steckte mit der Verräterin unter einer Decke. Ich schätze es nicht, wenn man meinen Namen beschmutzt, auch nicht, wenn es nur von geringer Bedeutung ist. Ich will dafür sorgen, daß diese Elfe nichts tut, was diese Beschmutzung ausweiten könnte.«
»Verständlich. Was soll ich für Euch tun?«
»Ich will den Bluthund sprechen, der Kiva vor ihrer Flucht untersuchte. Bringt ihn unter einem Vorwand nach Halarahh, dann werde ich seinem Geist die Einzelheiten seiner Feststellungen entreißen. Vielleicht wird eine winzige Informationen mir den Weg zu ihr weisen.«
»Wenn diese Information existierte, hätte meine azuthanischen Kollegen sie sicherlich gefunden und wären ihr nachgegangen«, protestierte Ymani. »Von Vetternwirtschaft abgesehen sind solche Zauber völlig ungesetzlich. Ich kann mich daran nicht beteiligen!«
Procopio rümpfte die Nase. »Die Azuthaner ließen eine Verräterin an König und Land entkommen. Schlimmer noch, Ihr verschwiegt es und stelltet Euren Ruf über die Sicherheit des Landes. Ihr und ich, wir sind auf demselben Himmelsschiff, mein Freund. Wir fliegen gemeinsam oder stürzen gemeinsam ab. Findet einen Weg, den Mann zu mir zu bringen, und zwar schnell.«
»Ihr habt eine sehr überzeugende Art. Ich werde tun, was ich kann.« Ymani Gold hob eine Hand und erteilte den azuthanischen Segen.
Normalerweise hätte sich Procopio von einer so plumpen Verabschiedung beleidigt gefühlt, doch er hatte schon zuviel Zeit mit dem fetten Priester vergeudet. Er löste sich von seinem Abbild und zog sich an den Fäden der Magie zurück in den Turm.
Procopio kehrte in seine Kammer und seinen Leib zurück, der schmerzhaft steif und kühl war. Er verfluchte sich, weil er zu lange unterwegs gewesen war, erhob sich und schleppte sich wie ein zahnloser alter Bauer hinüber zum Ofen. Ein rascher Zauber entfachte ein Feuer, dann rieb er seine eisigen Hände, während er über das Problem nachsann.
Kivas Verschwinden warf ein düsteres Licht auf andere Ereignisse der jüngsten Zeit. An diesem Morgen hatte er vom Überfall auf den Spiegel der Herrin erfahren. Es gab keine Überlebenden, doch eine magische Untersuchung hatte ergeben, daß wilde Elfen für das Massaker verantwortlich waren. Die Wilden von Mhair waren seit über fünf Menschengenerationen in ihren Dschungeln geblieben. Die Strafen für einen Verstoß gegen den Vertrag würden massiv sein. Etwas ungewöhnliches – oder jemand mit großer Macht und Überredungskunst – mußte die Elfen auf diesen selbstmörderischen Weg geführt haben. Elfen waren auf andere Rassen schlecht zu sprechen, also mußte der Anführer jemand aus ihren eigenen Reihen gewesen sein. Doch wer außer einem in Halruaa ausgebildeten Magier kannte den Wert der gestohlenen Bücher und Schriftrollen? Die beste Verwendung für die Elfen bestand darin, sie für ihre körperlichen Bedürfnisse zu zerreißen, und dafür hatten sie weiß Mystra genug Blätter! Nach Procopios Meinung steckte hinter dem Überfall eine magiebegabte wilde Elfe, jemand, der dringend Magie benötigte und wenig zu verlieren hatte.
Mit anderen Worten: Kiva. Der Gedanke, daß eine ehemalige Bluthündin die Schätze des Spiegels der Herrin an sich gerissen hatte und in die Lage versetzt wurde, diese Magie zu nutzen, machte Procopio schwindlig.
Er dachte über die Berichte von Überfällen auf abgelegene Klöster und Türme sowie auf Karawanen nach. In den Bergen trieben immer Banditen ihr Unwesen, und man ging gemeinhin davon aus, daß es sich voneinander unabhängige Ereignisse handelte – doch was, wenn dem nicht so war? Kiva hatte jahrelang in aller Stille eine Armee von Kriegern
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