Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
Läuse hat. Keiner von ihnen konnte ihr helfen?«
»Die Frage habe ich auch gestellt.« Matteo schüttelte verständnislos den Kopf. »Kiva besitzt Wissen, das für Halruaa von größter Bedeutung ist. Doch die Kleriker bleiben dabei, es sei ein Sakrileg, für Heilkräfte zu beten, die einem Verräter nutzen sollen.«
Andris murmelte etwas Unverständliches. Er ging ein Stück weiter, hob seine weiße Tunika auf und zog sie an. Das feine Linnen wurde sofort durchscheinend, als es sich um seinen Leib legte. Der Jordain bückte sich erneut, um eine Wasserflasche aufzunehmen. Er zog den Korken heraus und nahm einen tiefen Schluck. Matteo erwartete fast, sehen zu können, wie das Wasser durch die substanzlose Kehle seines Freundes rann, aber es verschwand in dem Moment, da es Andris’ Lippen berührte.
Andris ertappte ihn dabei, wie er ihn anstarrte, und ließ die Flasche sinken, woraufhin Matteo sofort den Blick abwandte.
»Vergib mir, ich wollte dich nicht so ansehen.«
»Keine Magie, keine Strafe«, sagte er beiläufig als Reaktion auf Matteos Entschuldigung. Es war eine unter Jordaini häufige Bemerkung. »Was wirst du jetzt machen? Wirst du in Beatrix’ Palast zurückkehren?«
Matteo schüttelte den Kopf. »Mir scheint, Halruaa hat meinen aktiven Dienst nötiger. Königin Beatrix braucht mich nicht mehr so sehr. Kiva hat das Tor zur Ebene des Wassers nicht geschlossen, sondern nur seine Position verändert. Der neue Standort muß gefunden werden. Ich habe außerdem Tzigone versprochen, ihr bei der Suche nach ihrer Mutter zu helfen oder wenigstens etwas über ihr Los zu erfahren.«
»Um die erste Aufgabe beneide ich dich nicht, aber die zweite dürfte recht einfach sein. Kiva beschrieb Keturah als Meisterin der Beschwörungsmagie. Solche Magier sind weithin bekannt, du mußt nur nach ihnen fragen.«
»Es ist viel komplizierter«, erwiderte Matteo. »Fragen zu stellen kann heißen, daß Tzigone Aufmerksamkeit zuteil wird, die unerwünscht und vielleicht gar gefährlich ist. Niemand sonst darf wissen, daß sie Keturahs Tochter ist. Du mußt mir dein Wort geben, mit niemandem darüber zu sprechen.«
Das Licht brach sich in Andris’ Gesicht, das einen Ausdruck des Entsetzens angenommen hatte. »Matteo! Du willst doch nicht sagen, Tzigone sei der Bastard eines Magiers?«
»Nein«, gab Matteo zurück. »Aber ich habe es getan.«
Andris fuhr mit der Hand durch sein blasses Haar und atmete tief durch. »Du hast interessante Begleitung, mein Freund. Weiß sonst jemand davon?«
»Von Kiva abgesehen, glaube ich es nicht.« Er erzählte Andris von der Notiz, die Kiva gefälscht hatte, einem Brief, der angeblich von Cassia kam, der Jordaini-Ratgeberin des Königs. Damit hatte sie alle Jordaini in Halarahh dazu anhalten wollen, bei der Suche nach Keturahs Tochter mitzumachen. »Zunächst dachte ich, die Nachricht sei an alle gesandt worden, aber Kiva hatte die Nachricht nur für Tzigones und meine Augen bestimmt. Sie wollte uns beide in die Gemächer von Cassia locken und von dort in Akhlaurs Sumpf. Sie köderte Tzigone mit dem Wissen über ihre Herkunft, wie man ein Muli mit einer vor ihm baumelnden Karotte zum Weitergehen verleitet.«
»Und welcher Karotte bist du gefolgt?« fragte Andris, in dessen durchsichtigen Augen mit einem Mal Besorgnis zu erkennen war. »Dem Mädchen?«
Die Frage stellte Andris aus gutem Grund, und Matteo dachte lange nach, ehe er antwortete. Doch er fand keine geeigneten Worte, um seine Freundschaft zu Tzigone zu erklären. »Ich vermute ja«, gestand er ein.
Andris’ Gesicht verfinsterte sich. »Du weißt, daß Jordaini die Heirat verboten ist.«
Das Bild Tzigones, ihr freches Grinsen ersetzt durch ein steifes Lächeln und ihre Augen demütig unter einem Schleier verborgen, war so unglaublich albern, daß Matteo lauthals lachen mußte.
»Das ist mir nie in den Sinn gekommen, und ich würde die Mitgift der Königin darauf verwetten, daß es ihr nicht anders geht! Tzigone ist eine Freundin, sonst nichts.«
Andris machte einen erleichterten Eindruck. »Sie wird eines Tages Magierin sein. Die Jordaini sollen den Magiern Halruaas dienen, nicht sich mit ihnen anfreunden.«
Ein junger Student kam auf sie zu gelaufen und rettete Matteo davor, diese beunruhigende Wahrheit eingestehen zu müssen. Der Blick des Jungen fiel kurz auf Andris und wandte sich dann ab.
»Andris hat die Erlaubnis, das Kolleg zu verlassen«, verkündete er. »Und der Schulleiter will Matteo sehen.«
»Ich
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