Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
In diesem Augenblick wirkte sie fast bei klarem Verstand.
»Ich muß die Stadt verlassen, um mehr über den kommenden Konflikt zu erfahren.«
Sie betrachtete ihn lange, als überlege sie, ob er in der Lage wäre zu tun, was er anbot. Ehe sie etwas erwidern konnte, wurden sie von einem lauten Kreischen aus dem Hauptsaal gestört, dem ein heftiges Getrampel folgte. Dann wurden Schreie laut, und die Anwesenden stürmten in Panik zur Tür.
»Entschuldigt mich«, sagte Matteo hastig und entfernte sich, ohne darauf zu warten, daß die Königin ihn dem Protokoll entsprechend entließ. Er wirbelte herum, zog die Waffen und rannte in den Hauptsaal.
Die Arbeiter drängten zu den Ausgängen und trampelten jeden nieder, der stolperte. Einer der Halblinge lag verletzt und reglos am Boden. Die meisten mechanischen Kreaturen standen ruhig da, nur ein paar von ihnen irrten verloren umher, da ihre Schöpfer in Panik davonrannten.
Über sich hörte Matteo ein metallisches Knarren. Er sah nach oben, dann tauchte er zur Seite weg.
Eine alptraumhafte Kreatur sprang mit der Anmut einer Katze von einem Kistenstapel herunter und landete so schwer, daß der Boden zitterte. Der Leib erinnerte an einen Panzeranzug, wie ihn die Krieger aus dem Norden trugen. Das Geschöpf war unbewaffnet, brauchte aber auch keine Waffen. Alle vier Finger liefen in geschwungenen Stahlklauen aus, lange Dornen überzogen den gesamten Metallkörper, und der Kopf erinnerte an eine Kreuzung aus Oger und Hai. Eine schweineähnliche Schnauze voller winziger Stacheln bildete die Spitze des langen Kiefer. Die Fänge waren noch bemerkenswerter, da sie die Form von Dreiecken hatten und wie die Zähne eines Piranhas lückenlos schlössen.
Die mechanische Kreatur zog eine benommene, stöhnende Frau vom Boden hoch und drückte sie in einer tödlichen Umarmung gegen ihre dornenbewehrte Brust. Der Schmerzensschrei der Frau endete abrupt, dann ließ das Ungeheuer sie sinken.
Matteo hatte keine Zeit, um einzuschreiten. Er kämpfte eine betäubende Welle aus Entsetzen und Schuld nieder und zwang sich, das Schlachtfeld analytisch zu betrachten. Eines war ihm klar: Seine Dolche würden gegen diesen Widersacher nichts nützen.
Eine bessere Waffe war nicht zu finden. Dann erinnerte er sich an Tzigones Reaktion im Kühlhaus und sah nach oben.
Ein gigantischer metallener Seevogel hing an der Decke, gehalten von einem Paar dicker Seile an den Flügelspitzen. Der Trick, den Andris vor kurzem angewendet hatte, brachte ihn auf eine Idee.
Matteo schätzte im Geist die Entfernung zwischen Boden und Metallvogel, dann sah er den Sonnenstrahl, der durch ein Fenster hoch oben in der Wand fiel. Er packte die Metallfaust eines eisernen Zentauren und legte deren Finger um einen seiner Dolche. Das glänzende Metall der Klinge erfaßte das Sonnenlicht und lenkte es genau auf eines der Seile.
Nun mußte er nur noch lange genug leben, bis die Sonne ihre Arbeit getan hatte!
Matteo hob den anderen Dolch und hieb nach dem mechanischen Monster. Er landete einen dröhnenden, nutzlosen Treffer, dann machte er einen Satz zur Seite. Das Konstrukt ließ die tote Frau fallen und konzentrierte sich auf den neuen Gegner.
Matteo war schon weg und rannte leichtfüßig hinter die Kreatur. Er trat mit solcher Wucht gegen ihre Rückseite, daß eine Beule entstand. Das Monster drehte sich mühsam um und begann langsam und schwerfällig, Matteo zu folgen.
Der Jordain hielt es in Bewegung, wobei er immer knapp außerhalb der Reichweite der Krallen und des wilden Schnappens der Kiefer blieb. Die ganze Zeit behielt er das Seil über ihnen im Auge, das zu qualmen begonnen hatte. Als der richtige Augenblick gekommen war, ging er in Stellung. Indem er vortäuschte, gestolpert zu sein, ließ er sich auf ein Knie sinken.
Die mechanische Bestie kam heran und öffnete und schloß erwartungsvoll ihre Klauen.
Das Seil riß und setzte den riesigen Vogel in Bewegung. Das Monster riß den Kopf nach hinten, dann flammten die leuchtenden roten Augen auf, als es den Windhauch von der Bewegung über sich bemerkte.
Matteo warf sich flach zu Boden und rollte sich ab. Der Metallvogel schwang wie ein Pendel, erfaßte die mechanische Kreatur und riß sie mit sich. Die miteinander verbundenen Maschinenwesen landete mit viel Lärm in einem Stapel aus metallenen Orks. Der Stapel fiel in sich zusammen, die Orks rollten davon wie Holzscheite, die nachlässig gestapelt worden waren, und begruben den Metallkrieger unter einem
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