Ratgeber & Regenten 02 - Das Wehr
Majestät.«
»Danke nicht mir«, sagte König Zalathorm mit einem düsteren Lächeln. »Gibt es bei den Jordaini nicht ein Sprichwort, wonach Rechtschaffenheit nie ungestraft bleibt?«
»Ich habe dieses Sprichwort noch nie gehört, auch wenn die meisten Sprichwörter ihren Ursprung bei den Jordaini zu haben scheinen.«
»Mit anderen Worten: Gib den Jordaini die Schuld?«
»Vielleicht, Herr«, erwiderte Matteo mit sarkastischem Unterton, »ist das unsere eigentliche Funktion.«
Zu seiner Überraschung kicherte der König und schlug ihm auf den Rücken. »Mystra möge dafür sorgen, daß du schnell zurückkommst, Junge. Ich freue mich schon darauf, mich wieder mit dir zu unterhalten, wenn deine Aufgabe im Norden erledigt ist.«
Matteo verbeugte sich wieder und sah Zalathorm nach, wie der durch den Flur ging, der den Palast des Königs von dem der Königin trennte. Er wandte sich um und eilte zu den königlichen Stallungen, um zum Turm Basel Indoulurs zu reiten. Eine hübsche, dunkeläugige Schülerin begrüßte ihn am Tor und ging, um Tzigone zu holen.
Seine Freundin kam zum Tor und trug ihr himmelblaues Gewand, das sehr verschmutzt war. Ihr Gesicht war gleichermaßen geschwärzt, und ihre Haare standen zu Berge, so daß ihr Anblick an einen Igel erinnerte.
»Frag nicht«, empfahl sie Matteo.
»Ich verlasse die Stadt morgen früh. Ehe ich gehe, gibt es Dinge, die ich dir sagen muß.«
Tzigone nahm seinen Arm und führte ihn in den Garten. Sie zogen sich in eine mit Rosen bewachsene Laube zurück, einer Zuflucht mit einem winzigen Teich und einer Bank, auf der zahlreiche Seidenkissen in leuchtenden Farben lagen. Sobald sie sich gesetzt hatten, griff Matteo in seine Tasche und holt das Medaillon hervor, das Exchelsor ihm anvertraut hatte.
Ehe er dessen Herkunft erklären konnte, riß Tzigone die Augen auf und sagte: »Das gehörte meiner Mutter.«
Ihre schmutzigen Finger legten sich um den Gegenstand. »Ich spüre keine Magie darin«, sagte sie abwesend. »Ich scheine mich daran zu erinnern, daß es magisch war. Jedesmal, wenn wir flohen, berührte meine Mutter es. Dann wurde ihr Gesicht ganz ruhig, als lausche sie auf etwas. Manchmal durfte ich es auch anfassen, aber ich spürte immer nur sie. Was glaubst du, warum?«
»Vielleicht stellen sich Kinder gut auf ihre Eltern ein«, überlegte Matteo. »Magische Gegenstände weisen manchmal etwas von der Aura ihrer Besitzer auf. Zweifellos hast du das gespürt.« Tzigone blickte zu Boden. »Ich halte den Talisman jetzt in Händen, aber ich fühle überhaupt nichts.«
Lange lastete die Stille auf beiden, dann warf Tzigone Matteo einen gepeinigten Blick zu. Er nickte, um die Frage zu beantworten, die sie nicht stellen konnte.
Tzigone kniff die Augen zusammen und wurde völlig ruhig, als suche sie tief in ihrem Inneren die Kraft, die sie jetzt nötig hatte.
»Woher hast du es?« fragte sie leise.
»Exchelsor gab es mir. Ich wollte es dir bei unserem letzten Treffen geben, aber da ergab sich keine Gelegenheit.«
»Und woher hat Exchelsor es?«
»Kiva brachte es ihm als Trophäe, um mit Keturahs Gefangennahme zu prahlen. Sie waren beide Lehrlinge, mußt du wissen, und Keturah war ihre Lehrerin. Sie waren Verbündete bei einem Zauber, der fehlschlug und der Keturah veranlaßte, Kiva aus ihrem Turm zu verbannen. Es ist klar, daß sich Kiva an deiner Mutter rächen wollte. Vielleicht haßte sie Dhamari, weil er nicht genauso behandelt wurde.«
»Wie war er?« fragte sie mürrisch.
»Ein ruhiger, bescheidener Mann. Er sprach mit großer Freude und tiefer Trauer von deiner Mutter.«
Tzigone wirkte unbeeindruckt.
»Du solltest ihn treffen«, sagte er.
Sie riß den Kopf hoch. »Das sagtest du schon. Dhamari bietet einem Magierbastard ein Heim, einen Namen, die Herkunft, einen Turm und ein Vermögen. Hast du dich schon mal gefragt, warum er das tut?«
»Du bist Keturahs Tochter. Vielleicht ist das ja Grund genug.«
»Das macht mir eben Sorge. Warum sollte meine Mutter vor Dhamari fliehen, wenn er ein so guter Mann gewesen sein soll?«
Matteo erzählte Tzigone von Keturahs Faszination für düstere Kreaturen. Er berichtete vom Schicksal der Grünmaga und von den Sternschlangen, die sich gegen ihre Natur zu einem Angriff zusammenschlossen. Tränen der Ungläubigkeit liefen unbeachtet über Tzigones schmutziges Gesicht, während sie zuhörte, und hinterließen feuchte Spuren im Ruß. Matteo erwartete, daß sie die Idee ablehnen würde, ihre Mutter könnte durch
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