Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)
Länder saufen hier; deshalb ist es hier auch oft lustig. Gegen 21 Uhr und 4 Bier später fand ich das heute auch. Dann besann ich mich doch eines besseren und ging beziehungsweise fuhr besoffen eine Stunde alleine nach Hause. Dort fiel ich mal wieder nur direkt ins Bett.
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…………… Um vier Uhr dreißig ging mein Wecker schon wieder. Um vier Uhr einunddreißig ging mein Reservewecker, den ich am anderen Ende des Zimmers platziert hatte. Der Weg dahin mitten in der Nacht ist sehr lang.
„Argh“, schnaufte ich um 4.33 Uhr, voll geschafft.
Dann plumpste ich auf den Teppichboden. Diesen hatte ich schon lange nicht mehr gesaugt und aus dieser Perspektive sah ich das auch im Dunkeln ganz gut. Im Hellen hätte ich mich wahrscheinlich hier nicht mit nackten Beinen hingesetzt. Trotz der frühen Morgenstunde sprang ich angeekelt hoch und weiter in die Dusche: allerdings ohne Haare.
Denn gegen diese dummen Flugzeiten kann man nichts machen. Wenn ich meine Haare noch hätte waschen wollen, hätte ich schon um 4 Uhr raus gemusst und dann in Deutschland gegen 9.30 Uhr noch ein fast 8-stündiges Meeting schmeißen müssen und dafür habe ich echt keine Kräfte.
Die Rating- Herabstufungen treiben momentan das Fieber vieler hoch.
Mein Kunde ist ein Krankenversicherungsunternehmen und ein großes Unternehmen, das in einen Riesenkonzern eingebunden ist. Doch heute ging es um das eigenständige Rating, das nichts mit dem Gruppenrating zu tun hat.
„Das Rating ist viel zu schlecht!“, wurde ich 6 Stunden später begrüßt. Ein nettes Hallo bekam ich nicht, auch wenn ich diese Aussage befürchtet hatte.
„ Wir sprechen noch über den Konzern als Ganzes“, sagte ich zudem ganz ruhig. „Ich versichere euch, dass alle Ratings zunächst für jedes einzelne Tochterunternehmen vergeben werden“.
Alle schauten mich an und sagten dabei nichts.
Weitermachen, dachte ich. Nach Hause fahren wollte ich.
Seit Korea damals und Lehmann Brothers hatte es schon lange keine Ausfälle mehr gegeben und auch dafür hatte meine Agentur erst mal falsch gelegen. Das stimmte schon. Während Lehmann Brothers immer mehr der Pleite entgegenste uerte, blieb das Rating sehr lange noch im Investment Grade Bereich, nur um kurze Zeit später dann doch komplett zu kippen.
Ratings der drei großen Rating-Agenturen haben in den letzten Monaten gezeigt, dass im Jahr 2011 die Mehrzahl der Länder zumindest einen negativen Rating-Ausblick bekommen ha t, wenn sie nicht sogar (bereits) herabgestuft wurden.
Auch wenn Deutschland nicht runter gestuft wurde, kommt hier so langsam die Angst an. Das spüre ich in diesem Raum ganz besonders. Merkel gibt trotzdem weiterhin großzügig an die Griechen. Sarkozy, Frankreichs großer Präsident, kommt meistens mit ihr und gemeinsam sind sie Merkozy geworden, selbst Dinner for One haben sie auf YouTube neu vertont. Die Ratings haben damit doch nichts zu tun und über Politik spreche ich nicht. So wie die Queen in England, werfe ich lachend ein und lenkte das Meeting damit vielleicht in eine richtige Richtung.
Es war klar, dass ich heute hier kämpfen musste, da die Herren keinerlei Verständnis für ein schlechteres Rating hatten und schon im Vorfeld so viel krakelt hatten. Mein Ziel heute war bescheiden gewesen: die Gemüter zu besänftigen. Zum Beispiel mit Rating-Heraufstufungen. Denn die gab es noch und nicht mal wenige, allerdings mehr in China als in Europa oder Amerika. Die Chinesen waren zur Zeit echt gut dran und ihre Banken hatten ein ganz gutes Standing, was bedeutet, dass es für sie zurzeit recht billig war, sich Geld zu besorgen. Denn die Zinsen sind geringer, wenn die Risiken geringer sind und das wirkt sich natürlich auch positiv auf die Gewinne aus. Willkommen im Club der Schleimer.
Mein Plan war aufgegangen, und die Mine vor mir hellte sich um das Tausendfache auf, und da ich vor lauter zustimmenden Genicke ganz mutig wurde, setzte ich an dieser Stelle noch einen drauf.
Der Kunde hatte in 2011 einen Gewinn erwirtschaftet, der jedoch zum größten Teil durch eine Steuergutschrift angeschwellt war.
„Die steuerliche Neubewertung von in der Vergangenheit angesammelten Verlusten ließ den Konzerngewinn um fast 19 Milliarden Euro ansteigen“, stellte ich fest. Mein Gegenüber verzog das Gesicht. Aber diese Reaktion hatte ich erwartet.
„ Trotzdem liegt das Ergebnis viel höher als erwartet“, sagte ich. „Und angesichts der hohen Schäden in Asien von anderen Unternehmen, wird es
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