Rattentanz
einnahm, hatten sie einfach nicht daran gedacht, sich wie auch immer zu bewaffnen. Ganz im Gegensatz zu diesen drei Typen. Keiner von ihnen wäre ohne Knüppel, Ketten und Messer für die beiden durchtrainierten Polen ein Problem gewesen. Aber sie hatten nun einmal Ketten, Messer und ihre Knüppel, was die Situation in ein völlig anderes Licht tauchte. Jetzt und hier waren die drei Schweden im Vorteil und es zählte nur das Jetzt.
Belustigt über die Wirkung, die sie auf die beiden Paare ausübten, betrachtete der Anführer zuerst Zuzanna, dann Alicja genauer. Er taxierte beide wie Vieh auf einer Tierauktion. Es fehlte nur noch der Griff in ihren Mund, um den Zahnstatus zu erheben. Er legte seinen Knüppel auf Patryks Rucksack und sagte etwas auf Schwedisch. Patryk verstand nicht. Der Schwede sagte es noch mal, mit dem gleichen Ergebnis. Schließlich klopfte er wieder, diesmal ärgerlich, auf das Gepäckstück und deutete vor sich auf den Boden.
Patryk folgte dem Befehl.
»Wollen die uns ausrauben?«
»Hoffentlich nur das!«
Der Anführer ließ sich den Inhalt der Rucksäcke einen nach dem anderen vor die Füße schütten. Mit sichtlichem Desinteresse stocherte er mit der Fußspitze in getragenen Kleidungsstücken, Kosmetika und Handtüchern. Dass er nichts fand machte ihn zusehends ungehalten. Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. Diese Sprache war international. Aber Karol zögerte.
»Gib es ihm.« Patryk hatte seinen Brustbeutel hervorgeholt und hielt schon seine letzten Scheine in der Hand. »Gebt ihm euer Geld. Im Moment können wir eh nichts damit anfangen. Und die drei sind damit hoffentlich zufrieden und verschwinden.«
Er drückte dem Anführer seine Geldscheine in die aufgehaltene Hand. Nimm, dachte er. Nimm es und macht, dass ihr wegkommt! Der Blick, mit dem die drei Männer Zuzanna und Alicja immer wieder taxierten, machte ihm Angst. Die waren nicht nur hinter ihrem Geld her. Sie wollten mehr und wären er und Karol nicht dabei, hätten sie es sich bestimmt schon genommen.
Zufrieden steckten die drei Männer ihre Beute ein, machten aber keine Anstalten, sich zu verziehen. Sie unterhielten sich, lachten und betrachteten die beiden Frauen. Schließlich deutete der Anführer mit dem Finger auf Karol und Patryk, trat dann zur Seite und verbeugte sich theatralisch. Er wedelte mit der Hand durch die Luft und ging da bei in die Knie, während seine Kumpane lachten.
»Die wollen, dass wir gehen.« Die Gesten des Anführers waren eindeutig: die beiden sollten verschwinden. Zuzanna klammerte sich an Patryks Arm. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie hatte Angst. Wie gern wäre sie jetzt im Tunnel! Überall, in einer Konservendose ihretwegen, nur nicht hier!
Wieder zeigte der Schwede auf Karol und Patryk. Wieder verbeugte er sich und wieder wanden sich seine Freunde vor Lachen. Ja, das war schon ein Kerl! Ihr Anführer! Wer hätte geglaubt, dass der bis vor ei ner Woche noch die Kabinen der Fährschiffe bei ihren kurzen Stopps im Hafen gereinigt hatte – in Latzhose und einem Putzeimer und Be sen in der einen und einem Müllsack in der anderen Hand. Keiner hät te dies für möglich gehalten. Er war ihr Anführer, zu Recht, denn er wusste, wo es langging, wusste, wo es was zu holen gab. Und hier – die beiden gierten zwischen ihren Lachtränen zu den Frauen hinüber –, hier gab es noch mehr als die paar läppischen Scheine zu holen!
»Jetzt!« Patryk riss sich von Zuzanna los, trat dem in seiner geküns telten Verbeugung verharrenden ehemaligen Putzmann ins Gesicht und packte dessen Knüppel. Fast zeitgleich stürzte sich Karol auf einen der Helfer und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Er spürte dessen Kiefer und einen seiner Finger brechen. Er hatte keine Zeit, sich über den dümmlichen Gesichtsausdruck seines Opfers zu freuen. Der Dritte, der dem Angriff bisher tatenlos zugesehen hatte, konnte sich nun endlich zu einer Reaktion durchringen und hob seine Waffe. Die Kette klirrte. Er holte zum Schlag aus.
»Los! Zusammen!«, schrie Alicja, senkte den Kopf und rammte diesen in den Unterleib des Dritten. Der hielt einen Moment inne und betrachtete das Mädchen und wo sie ihren Kopf hatte. »Nur ein kleines Stück tiefer, mein Schätzchen«, flüsterte er ihr zu. »Dann bist du da, wo du hingehörst.«
Ihm blieb aber keine Zeit, Alicjas Kopf dahin zu drücken, wo dieser seiner Meinung nach hingehörte. Stattdessen kümmerte sich Zuzanna um sein wichtigstes Teil. Sie war herangesprungen, packte
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