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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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die beiden ein doppeltes Spiel – im Dorf die gesetzestreuen Wachmänner, hier draußen aber, im Schutz der Nacht, träumten sie offenbar von an deren Dingen.
    Hermann Fuchs kratzte an seiner Wunde und dachte nach. Sein Bart war länger geworden, verfilzt und schmutzig. Jetzt musste er weiterschlafen, während andere Kühe hüteten oder Blumen auf ein Massengrab warfen. Er musste schlafen, auch wenn die Sonne zwischen den Zweigen der Bäume tanzte und sein Gesicht suchte, denn kommende Nacht wollte er an Sattlers Haus auf Kiefer und Bubi warten. Es gab sicher noch viele Geheimnisse zu erfahren. Vielleicht sogar, wo sie sein Geld versteckten.

85
    13:30 Uhr, Wellendingen
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    Alle Mitglieder des Wellendinger Rates fanden sich bei Hildegund Teufel ein. Fast alle, nur Frieder Faust fehlte. Und er war heute auch der Grund ihrer frühen Zusammenkunft.
    Martin Kiefer war bei Sonnenaufgang zurück ins Gasthaus Krone gegangen. Bubi, als er von seiner Streife zurückkam, wurde von Eva be reits erwartet. Bubis Mutter saß am Küchentisch und schlief. Eva berichtete, was sich in der Nacht zugetragen hatte und Bubi informierte die Ratsmitglieder. Ein Treffen war unumgänglich.
    Kurz nach Mittag hatten sich alle versammelt. Bea Baumgärtner, Christoph Eisele und, zum Schluss, kam ihr Vorsitzender. Roland Basler sah verschlafen und gereizt aus.
    Bubi hatte seine Mutter mitgebracht. Sie nahm auf der schmalen Ofenbank Platz, Eva Seger blieb stehen.
    Keiner wusste, wo Faust sich im Moment aufhielt und wie es ihm ging. Eva berichtete von letzter Nacht. Ihr Verdacht, Faust könne alkoholabhängig sein und durch den plötzlichen Mangel an Nachschub Entzugserscheinungen haben, löste unterschiedliche Reaktionen aus. Bea Baumgärtner setzte sich zu Susanne und nahm sie in den Arm, während Hildegund Teufel auch ihr eine Tasse Pfefferminztee brachte. Die alte Teufel erinnerte sich auf einmal, wie gern Frieder ihren Johan nisbeerlikör getrunken hatte. Es war schon zu einem Ritual geworden, zum Abschluss jeder Versammlung ein kleines Gläschen Likör zu trinken. Faust hatte immer auch ein zweites Glas genommen.
    Eisele fingerte an seiner Tasse herum. Er hatte Frieder erst vor ein paar Tagen eine Flasche Wein aus dem Vorrat seiner Eltern gegeben.
    Roland Baslers Gesicht wirkte unbeteiligt. Er hörte sich den Bericht der Krankenschwester an und machte sich dabei sehr eigene Gedanken. Basler hatte Faust noch nie besonders leiden können. Eigentlich hatte er ihn bis zur Katastrophe nicht einmal sonderlich beachtet. Faust war ein einfacher Handwerker aus einfachen Verhältnissen, er selbst ein recht erfolgreicher Anwalt und immerhin Mitglied des Bonn dorfer Gemeinderates. Jedenfalls bis zum 23. Mai. Aber in seinen Augen waren die Menschen nun einmal nicht gleich, auch wenn die neue Zeit alle vor dieselben Probleme stellte. Es gab Unterschiede und ein Frieder Faust war nun einmal nicht mit ihm zu vergleichen. Die Katastrophe aber hatte sie an einen Tisch geführt und Faust, mit sei-nen auf das sogenannte Allgemeinwohl gerichteten Plänen und Vorschlägen, hatte dabei immer wieder Baslers eigene Pläne durchkreuzt. Faust hatte einfach keinen Sinn für den persönlichen Vorteil. Natürlich sollte es allen gut gehen, aber wenn man immer nur an andere dachte, konnte man es selbst niemals wirklich nach oben schaffen – eine simple Tatsache, die dieser Faust wahrscheinlich niemals in seinen dicken Handwerkerschädel hineinbekommen würde. Aber vielleicht war, was Eva Seger da berichtete, gar nicht mal so übel. Während die anderen über Fausts Verbleib diskutierten, dachte Basler bereits weiter. Faust war ihm egal, mochte er doch irgendwo im Wald liegen und von einer Kiste Bier träumen und weiße Mäuse sehen, wenn ihm danach war. Basler sah ganz unverhofft eine Möglichkeit, Faust aus dem Rat zu werfen. Was wollten sie noch mit einem Mitglied, das die vergangenen drei Sitzungen versäumt hatte und, wie sich nun herausstellte, auch noch Alkoholiker war? Sie brauchten handlungsfähige Personen.
    Personen, die Basler nahestanden.
    Während die anderen diskutierten und beratschlagten, was zu unternehmen sei, ging Roland Basler in Gedanken die verschiedenen personellen Möglichkeiten durch. Kiefer, sinnierte er, wäre die Idealbesetzung für Fausts freiwerdende Stelle. Aber Kiefer lebte erst seit der Katastrophe im Ort, ihn wollte bestimmt keine Mehrheit im Rat. Auch hatten Hildegund Teufel, Eisele und Bea Baumgärtner nie einen Hehl aus ihrer

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