Rattentanz
Weiden, die das Dorf umgaben. Den ganzen Tag blieb sie bei den Tieren, Hermann Fuchs hatte es immer wieder gesehen, denn sein Schlaf war oberflächlich und das kleinste Geräusch ließ ihn sofort aufschrecken.
Die Kleine war aber nicht allein. Fuchs hatte zweimal hinschauen müssen, aber es gab keinen Zweifel! Der Mann, der das Kind begleitete, war niemand anderes als dieser sprachlose Irre aus dem Krankenhaus. Der Bulle und die Krankenschwester hatten ihn den ganzen weiten Weg bis hierhergeschleppt, nur damit er jetzt hier die Kühe hü ten konnte? Die Krankenschwester hatte er nur einmal aus der Fer ne gesehen, der Bulle blieb wie vom Erdboden verschluckt. Fuchs lächelte. Vielleicht hatte ihn der Erdboden ja tatsächlich verschluckt. Er selbst hatte mit seinem Messer und einem Schuss aus dessen Dienstpistole sein Möglichstes getan, damit es einen Bullen weniger gab. Die beiden Kerle, die ihm das Geld abgenommen und ihm hinterhergeschossen hatten, patrouillierten durch den Ort, mit Gewehren und äußerst wichtiger Miene. Jeden Abend erschienen sie in der Dämmerung auf der Bildfläche und waren im Dorf unterwegs. Abend für Abend flüchteten die Menschen wie Ameisen in ihre ach so sicheren Behausungen und überließen Bubi Faust und Kiefer die wenigen Straßen. Fuchs konnte mal hier, dann wieder am anderen Ende Wellendingens ihre Taschenlampen aufblitzen sehen und wusste so, welche Gär ten er dann lieber meiden sollte. Und welche gerade unbewacht wa ren. Sobald aber die Kerzen in den Häusern erloschen, zogen sich die Wächter in ein Haus am Ortsrand zurück. In der vergangenen Nacht, während Faust gegen seine Dämonen ankämpfte, war Fuchs ih nen gefolgt.
Fuchs hatte es sich gestern Abend gerade am Waldrand bequem gemacht. Er wollte noch warten, bis die Dunkelheit alles fest im Griff hat te und dann erst zwischen die Häuser schleichen. Die Maus lag in seinem Magen und den Geräuschen nach, die dieser von sich gab, war sie noch am Leben. Fuchs hatte über diese seltsame neue Welt nachgedacht und wo sein Platz darin liegen könnte, seine Aufgabe und sein Ziel, als nur wenige Schritte entfernt ein Zweig knackte. Ganz Vorsicht, hatte er sich klein gemacht und die Dämmerung verflucht, die träge und viel zu langsam vorankam. Dann trat ein Mann aus dem Wald! Fuchs erkannte Martin Kiefer sofort. Dieses Gesicht würde er sein Leben lang nicht mehr vergessen, nicht diese Augen, nicht dieses Lachen! Kiefer war nur zehn Meter neben Fuchs’ Versteck aus dem Wald getreten und hatte auf das Dorf unter sich gesehen. Kiefer blieb einige Minuten so stehen, dann spuckte er in Richtung der Häuseran sammlung. Anschließend ging er nach rechts. Er steuerte das einzelne Haus am Ortsrand an.
Fuchs schlich dem Räuber seines Geldes hinterher. Was hatte der hier zu suchen, um diese Zeit, allein und heimlich? Alle anderen trafen sich Abend für Abend in einem Haus in der Ortsmitte (ein Gasthaus, vermutete Fuchs), wieso er nicht?
Kiefer ging zum Haus von Georg Sattler. Roland Basler hatte es Kie fer und Bubi als eine Art Stützpunkt überlassen. Martin Kiefer schlich sich in dieser Nacht in Sattlers Haus. Er hatte einen Schlüssel und er wusste, wo alles versteckt war. Und er wusste, dass auch Bubi jeden Augenblick kommen musste.
Bubi Faust erschien kurz nach eins.
Hermann Fuchs hatte sie durch das Küchenfenster im Schein ihrer Taschenlampen herumhantieren sehen. Kiefer schleppte anschließend einen großen, offensichtlich sehr schweren Rucksack aus dem Haus. Zu gern hätte Fuchs gewusst, was der Mann da wegtrug und was vielleicht noch alles in dem Haus lagerte. Vielleicht sein Geld? Aber hätte er es nicht spüren müssen, wenn er sich in so unmittelbarer Nähe zu dem befand, was rechtmäßig ihm gehörte?
Die beiden Männer flüsterten.
»Alles wird gut«, hatte Kiefer gesagt und dem Jungen ins Gesicht geleuchtet. »Ich sammle in Bonndorf ein paar Männer, denen ich bedingungslos vertrauen kann. Du weißt, dass du natürlich dazugehörst. Wenn es so weit ist, Bubi, gehörst du dazu. In einer, vielleicht in zwei Wochen ist es so weit und ich versprech dir, alles, wovon wir jemals geträumt haben, werden wir uns erfüllen! Dann holen wir Eva und machen, dass wir von hier wegkommen.«
Der Kleine hatte gelächelt und Martin Kiefer war, an Hermann Fuchs vorbei, im Wald Richtung Bonndorf verschwunden.
Wer weiß, wozu es noch einmal gut sein konnte, zu wissen, dass die beiden unter einer Decke steckten. Offensichtlich spielten
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