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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Donaueschingen zurückzukehren, einen seltsamen Reiz aus. Thomas konnte dessen Lächeln beinahe greifen, auf jeden Fall aber die folgenden Wor te hören: Oh jaaa. Endlich eine gute Idee. Nimm unser Thermoskänn- chen und lass uns auf den Bus klettern. Und hineinstürzen! Jaaa, das wird fein. Keiner, der uns wieder herauszieht, niemand, der unser Glück stört! Nur das Großmütterchen werde ich vermissen, sagte er. Ach was! Wir nehmen sie einfach mit!, fuhr er fort. Kommt, raus, schnell! Wir holen des Teufels Großmutter und dann wollen wir alle gemeinsam im Bus verfaulen und die Großmutter wird uns die Pforten der Hölle öff- nen. Durch sie und ihre Verwandtschaft zum Herrn der Unterwelt wird uns aufgetan, oh jaaa.
    Nein, nein, nein!, sagte Nummer zwei wütend. Ich werde diesen Ort und meinen Engel nur verlassen, wenn wir nach Paris gehen, sonst nicht!
    Thomas zog die Bettdecke über seinen Kopf und versuchte zu schlafen. Oder schlief er längst und die Stimmen war nur ein Traum? Weder träumst du, noch sollst du nach Donaueschingen, sagte Nummer eins. Seine Stimme war wie immer voller Geduld. Steh auf und geh zurück zu ihr.
    Zur Großmutter! Zur Großmutter! Wir gehen nachts zur Großmut- ter!
    Gehen wir lieber zu unserem Engelchen. Ich möchte wissen, ob es ihr gut geht. So gern, ach so gern möchte ich sie im Schlaf beobachten, ihre Reinheit, ihr kindliches Glück. Ich will sie streicheln und immer in ihrer Nähe sein und …
    … sie packen und zur Teufelin schleppen und mit ihr in die Hölle faaah ren!
    Nein!
    Doch! So werden wir es machen. Dann hat jeder etwas davon.
    Du hast es doch auch gespürt, sagte Nummer eins eindringlich. Du hast es vorhin deutlich gespürt, Thomas, als wir an ihrem Haus vorbei- kamen. Geh jetzt zurück. Geh in den Kräutergarten und sieh nach.
    Thomas spürte die Angst in seinem Hals klopfen. Er hatte keine Ah nung, was Nummer eins von ihm wollte, warum der ihn in die Nacht hinausschickte. Thomas kam sich begriffsstutzig vor und dumm. Aber jetzt, als die Stimme ihn in Hildegund Teufels Kräutergarten schickte, stellte sich das unheimliche Gefühl von vorhin sofort wieder ein. Thomas fürchtete sich vor seinen Stimmen, sie waren jetzt wieder laut und verrückt, fast so wie in diesem Aufzug. Er fürchtete sich davor, dass alles wieder so würde wie früher, und das wollte er um keinen Preis der Welt. Alles hatte sich in den letzten Tagen zum Guten gewendet. Er wurde gebraucht und in seinem Kopf blieb es leise und geordnet. Wie aber würde alles weitergehen, wenn das Chaos zurückkäme? Eva hatte keine Medikamente für seinen Kopf, nichts, das den Stimmen das Wort verbieten konnte. Und weit und breit kein Arzt, von dem er Hilfe erwarten durfte. Thomas war allein. Er klammerte sich an seine Aktentasche. Schlafen. Bitte, lasst mich endlich schlafen!
    Aber Nummer eins gab nicht auf. Hab keine Angst, versuchte er Thomas zu beruhigen. Uns wird nichts passieren.
    Schaaade.
    Alles wird gut. Alles ist gut. Vertrau deinem Gefühl. Nur ein kleiner Spaziergang durch die Nacht, dann wird alles wieder gut.
    Thomas ahnte – nein, er wusste –, dass sie ihn nicht schlafen lassen würden. Er hatte keine Wahl. Er stand auf und zog sich im Dunkeln an. Dann nahm er die Aktentasche und schlich in die Küche, wo eine letzte Taschenlampe lag. Er verließ das Haus.
    Es war inzwischen kurz nach halb eins und das Dorf schlief, erschöpft von der Suche nach Frieder Faust. Viele hatten noch lange im Gasthaus, an dem Thomas gerade vorbeirannte, zusammengesessen und über Fausts Verbleib Vermutungen angestellt. Natürlich ergebnislos. Evas ernstes Gesicht und ihre Worte, wonach Faust, wenn man ihn nicht bald fand und ihm half, wenig Überlebenschancen hätte, setzten allen zu, am meisten natürlich seiner Frau. Susanne fühlte sich so allein. Einzig die Hoffnung, dass Bubi seinen Vater auf seiner nächtlichen Runde finden könnte, gab ihr etwas Kraft.
    Als Thomas vor Hildegund Teufels Haus stand, war das Gefühl wieder da, wie ein Ruf.
    Erinnerst du dich?, fragte Nummer eins, aber Thomas wusste nicht, was die Stimme meinte. Du hast gesehen. Die Kräuter, unsere Melisse.
    Jetzt erinnerte sich Thomas! Wenn auch erinnern das falsche Wort war, konnte man sich doch nur erinnern, wenn man etwas bewusst wahrgenommen hatte. Er sah jetzt mit einem Schlag, was er am Abend schon gesehen, aber nicht erkannt hatte und wusste jetzt auch, warum ihn Nummer eins hierher geschickt hatte!
    Thomas rannte um das Haus.
    Nein! Geh

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