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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Keller gesprochen und beim Gedanken an etwas Essbares, was nicht nach Wald und Moder und Moos roch oder schmeckte, zog sich sein Mund zusammen. Doch we der dieser Kiefer noch sein milchgesichtiger Zögling machten Anstalten, das Haus endlich zu verlassen.
    Vielleicht könnte er in der Küche eine Kerze und Streichhölzer finden, überlegte Fuchs. Dann wollte er gleich in den Keller steigen. Zu seinen Vorräten. Das Geld war plötzlich nicht mehr ganz so wichtig. Kiefer und Bubi schwiegen zwei, drei Minuten. Kiefer starrte in die Kerze, als könne sie ihm erzählen, wie er Eva in seine Gewalt bekommen konnte.
    »Du überlegst, wie du an Eva rankommst?«
    Kiefer nickte.
    »Keine Chance im Moment.«
    »Ich kann warten«, sagte Kiefer. »Eva wird mir nicht davonlaufen. Sie kann nirgendwo hin. Und von Hans gibt es keine Spur. Oder?«
    Wie erwartet schüttelte Bubi den Kopf.
    »Nichts. Wer weiß, ob er noch lebt.« Kiefer grinste.
    »Wäre schade, wenn er irgendwo in Schweden abkratzt und niemals erfährt, dass sein Evchen wieder bei mir weilt! Wäre wirklich schade. Ich möchte nicht derjenige sein, der ihm die frohe Botschaft ih rer Rückkehr zu mir überbringen muss. Aber sein Gesicht dabei, das möchte ich schon ganz gern sehen. Das wäre fast soviel wert wie Eva selbst.«
    Bubi rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Das Gespräch über Kie fers große Sehnsucht war ihm unangenehm. Er verstand Kiefer in dieser Beziehung nicht, wollte es auch gar nicht. Und er wollte auch ganz bestimmt nichts von dem erfahren, was sein Freund mit Eva vorhatte! Er verabscheute dieses Thema. Aber Kiefer war nun mal der Boss.
    Kiefer hatte etwas gehört! Er legte den Zeigefinger auf seine Lippen. Sein eben noch verträumter Blick war mit einem Schlag hellwach und konzentriert.
    »Was …« Kiefer unterbrach Bubi mit einer unwilligen Geste. Er hat etwas gehört. Ein Kratzen und Schaben. Jetzt war es weg.
    Hermann Fuchs saß wie versteinert in seinem Versteck. Die Wunde an seiner Wange juckte. Er konnte sich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Und wollte es doch vergessen. Aber Fuchs hatte sich kratzen müssen und das Geräusch, das er dabei in seinem unrasierten Gesicht verursachte, hatte das Gespräch in der Küche mit einem Schlag unterbrochen. Es war das Kratzen. Bestimmt! Ganz bestimmt sogar!
    Das Jucken wurde stärker. Jetzt, wo er wusste, dass er sich unter keinen Umständen mehr kratzen durfte, war es, als ob sich die Wunde zu neuen Höchstleistungen in Sachen Juckreiz aufschwingen wollte. Fuchs hielt seine Hände zwischen den Knien versteckt. Nein! Lass sie dort, egal, wie stark der Magnet im Gesicht auch zieht.
    Fuchs legte den Kopf auf die Seite und presste die verschorfte Wunde auf seine Schulter. Aaah, so ging es besser. Das Kribbeln ließ etwas nach und Hermann Fuchs entspannte sich ein wenig.
    »Eine Maus«, sagte Martin Kiefer. Er lächelte Bubi an. »Hast du das Scharren nicht gehört?«
    Bubi schüttelte den Kopf.
    »Ich dachte schon, uns wär’ einer aus dem Dorf gefolgt. Aber es war wohl nur eine Maus.«
    Auch Kiefer entspannte sich.
    »Was hast du als Nächstes vor? Und wie lange wird es noch dauern, bis wir uns aus dem Staub machen?«, fragte Bubi. »Weißt du, ich bin kein so guter Schauspieler wie du. Irgendwann wird mich jemand durchschauen. Im Moment dreht sich alles um Vater, aber …«
    »Es gibt in Bonndorf einige Leute, die wie ich gern eine ganz neue Ordnung aufbauen möchten«, log Kiefer. »Unsere Ordnung, Bubi, du weißt, wovon ich rede. Eine Ordnung, in der du auf der Sonnenseite stehen kannst. Es sind bis jetzt zwölf Männer und Frauen und du und ich. Die Frage ist nur, wo wir uns niederlassen. Bonndorf scheidet aus, viel zu groß für den Anfang. Ich denke, irgendein kleineres Dorf hier in der Umgebung wäre für den Anfang genau richtig. Es sollte gut zu verteidigen sein.«
    »Und die Einwohner?«
    »Die werden mitmachen und schön für uns arbeiten«, freute sich Kiefer. »Wer will in diesen Zeiten schon allein sein und mit seiner Familie davonlaufen, he? Die bleiben lieber dort, wo sie zu Hause sind und sich auskennen.«
    Hermann Fuchs konnte nicht mehr. Er presste die Wange gegen seine Schulter, aber es half nichts. Der Juckreiz fraß ihn auf. Es war zum Verrücktwerden und der Sirenengesang seiner Wunde zerrte im mer weiter an seiner Hand. Kratze. Los doch, kratze und alles wird gut, rief sie ihm zu. Fuchs hielt die Augen geschlossen. Dann riss er die Hand zwischen den Knien hervor und scharrte

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