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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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hinein und überrasche die Teufelin. Bete mit ihr ihren ge- hörnten Enkelsohn an und bitte um die Hölle auf Erden.
    Thomas stieß die Gartenpforte auf. Er suchte die Lampe aus seiner Aktentasche. Der schwache Lichtkegel erhellte einen kleinen Tram-pelpfad und einige Blumen. Auf der Bank hinter Thomas streckte sich eine Katze und beobachtete den seltsamen Besucher. Thomas beachtete weder das Tier noch einen kleinen Lichtpunkt, der für einen kurzen Moment am Ortsrand, wo das einsame Haus Sattlers lag, aufflackerte. Thomas hatte ein Ziel und ging zwischen Gemüsebeeten und Blumen zu seiner Melisse. Tief sog er den Duft der Kräuter ein. Er wusste jetzt, wonach er suchte, wusste genau, weshalb er hier war.
    Die hohen Kräuter lagen umgebogen halb auf dem Weg. Thomas leuchtete zwischen sie.
    Er hatte Frieder Faust gefunden.
    Hermann Fuchs lag auf der Lauer. Er hatte ein paar Stunden geschla fen und war rechtzeitig erwacht, um im letzten Licht des Tages einige Walderdbeeren zu finden. Jetzt, vierzig Minuten nach Mitternacht, versteckte er sich hinter Georg Sattlers Haus und wartete auf Martin Kiefer und Bubi Faust. Sie waren pünktlich.
    »… ich denke, ihm fehlt sein Bier«, sagte Bubi gerade, als sie in Hörweite kamen. Kiefer öffnete die Haustür. »Wie ein eingesperrtes Raubtier lief er durch unser Haus und suchte nach Alkohol. Letztens hab ich ihn mit einer Flasche Rasierwasser erwischt. Er sagte zwar, er wolle sich rasieren, aber sein Bart war danach keinen Zentimeter kürzer. Und jetzt ist Vater weg.«
    »Hättest ihm ja ein oder zwei Flaschen von unserem Vorrat mitnehmen können«, meinte Kiefer gönnerhaft. Unten, im Keller des Hau ses, hatten sie die Beute aus dem Einbruch im Gasthaus Krone ge lagert: neben reichlich haltbaren Lebensmitteln auch einige Kisten Wein, Hochprozentiges und Bier.
    »Dazu ist es jetzt ja zu spät, wer weiß, wo er sich gerade rumtreibt.« Bubi klopfte sich wie gewohnt den Staub von den Schuhen, bevor er eintrat. »Aber ich fand die letzten Tage ganz gut so. Mein Vater war mit seinen Problemen beschäftigt und hat mich endlich mal in Ruhe gelassen.«
    Kiefer zuckte mit den Schultern. »Wenn du was brauchen solltest, du weißt ja, wo alles ist. Aber vergiss nicht: auch unsere Vorräte sind nicht unerschöpflich. Wenn du was rausgibst, sieh zu, dass dabei auch was für uns herausspringt.«
    Bubi nickte.
    Die beiden Männer gingen ins Haus und nahmen am Küchentisch Platz. Kiefer zündete eine Kerze an. Bubis Maschinengewehr lag zwischen ihnen. Kiefer hatte die schweren Vorhänge zugezogen. Nie-mandem im Dorf durfte der Lichtschein in dem unbewohnten Haus auffallen. Hermann Fuchs sah sich plötzlich ausgesperrt.
    »Warst du heute eigentlich in Bonndorf?«, fragte Bubi. »Wie geht’s bei denen mit dem Strom voran? Ich warte jeden Tag darauf, dass in Bonndorf die Lichter wieder angehen.«
    Kiefer lachte. »Stadler ist scheinbar doch nicht so hell, wie er immer tut.«
    Christian Stadler, Elektriker aus Bonndorf, arbeitete mit einem eigenen Team nun schon den fünften Tag an der Stromversorgung der Stadt. Seinem Vorschlag, das unterhalb des Windrades gelegene Stadtviertel vom allgemeinen Stromnetz abzukoppeln und durch die Windkraftanlage mit Elektrizität zu versorgen, hatten die Vertreter der Stadt mit reichlich Bauchschmerzen zugestimmt. Es bedeutete, dass der größte Teil der Stadt vorerst aufgegeben werden musste und sich alles auf dieses eine Viertel konzentrierte. Aber schließlich sah fast je der ein, dass der Strom, den dieses einzelne Windrad produzierte (Schick uns Wind, lieber Gott. Jeden Tag ein bisschen Wind!), niemals ausreichen konnte, allen Haushalten zu Licht und Wärme zu verhelfen. Also wurde Stadlers Vorhaben abgesegnet. Außerdem stand es je dem Einwohner der Stadt frei, in dieses kommende Stromviertel umzuziehen; schließlich sollte keiner benachteiligt werden. Ab sofort stan den jeder Familie, die unterhalb des Windrades lebte, nur noch zwei eigene Zimmer zu. Küchen und Bäder sollten gemeinschaftlich genutzt werden.
    Christian Stadler aber hinkte seinen eigenen vollmundigen Versprechungen hinterher.
    »Vielleicht hätte er seine Pläne schon realisiert, wer weiß. Nur leider, sein Pech, steht einer seiner Helfer auf meiner Gehaltsliste.« Kiefer grinste und Bubis Augen wurden immer größer.
    Hermann Fuchs’ Gebete, dass die Haustür unverschlossen und bit te, bitte geölt wäre, wurden beide erhört. Ohne sich zu verraten, schlich er in das Haus, drückte die

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