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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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sonderlich umgewöhnen müssen, wenn du dein neues Zuhause beziehst.«
    Fuchs wimmerte wie ein geschlagenes Kind. »Bitte, lasst mich laufen. Sag mir, in welche Richtung ich rennen soll und schon bin ich ver schwunden. Auf Nimmerwiedersehen. Ich schwöre es.« Der Gewehrlauf, den Kiefer ganz langsam tiefer in sein Nasenloch schob, machte Fuchs wahnsinnig. Es war unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen! Der Schmerz hatte selbst den quälenden Juckreiz der Wun de vertrieben.
    »Du hast deine Chance gehabt«, sagte Kiefer und, um die Grausamkeit seiner Antwort zu unterstreichen, verstärkte er nochmals den Druck seiner Waffe. »Du hättest vorgestern laufen können, wohin du wolltest. Gestern auch. Selbst vor einer Stunde standen dir noch alle Himmelsrichtungen offen. Aber nein, der Herr Stinkmorchel zieht es vor, in unserer Nähe zu bleiben und uns zu belauschen. Und wahrscheinlich hattest du vor, unsere Vorräte zu stehlen. Stimmt’s?«
    »Nein«, winselte Fuchs. Kiefer zog die Waffe in die Höhe und zwang Hermann Fuchs damit auf die Zehenspitzen. »Nein. Bitte, glaub mir doch.«
    »Ob der alte Sattler hier wohl irgendwo Hacke und Spaten hat?«
    »Bestimmt. Wofür brauchst du das Zeug?« Bubi leuchtete jetzt Kiefer an.
    »Ihn sollst du im Auge behalten, nicht mich!« Der Lichtkegel schwenkte zurück auf Fuchs’ von Angst und Schmerz entstelltes Gesicht. Tränen rannen über sein Gesicht und hinterließen dünne, weiße Linien auf dessen verstaubter Haut.
    »Der hat seine Gartengeräte in dem alten Schuppen. Ist bestimmt auch ein Spaten dabei.«
    »Und eine Hacke?«
    »Die auch. Und wozu?«
    Ohne zu antworten, wandte sich Kiefer der Haustür zu und zog Hermann Fuchs hinter sich her.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte Kiefer. »Wir wissen gar nicht, was wir auf deinen Grabstein schreiben sollen. Stinkmorchel? Penner? Los, sag schon: Was soll auf deinem Grabstein stehen?«
    Kiefer ging voraus und Fuchs folgte dem Zug des Gewehrlaufes in seiner Nase hinter das Haus.
    Bubi brachte wie befohlen Spitzhacke und Spaten. Kiefer nickte, zog mit einem Ruck den Gewehrlauf aus Fuchs’ Nase und Bubi drück te dem Verurteilten Hacke und Spaten in die Hand. Aus dessen Nasenloch strömte frisches Blut. Seine Hände zitterten, als er das Werkzeug nahm.
    »Soll, soll ich mein eigenes Grab schaufeln?« Er konnte nicht glauben, was die beiden Männer ganz offensichtlich mit ihm vorhatten.
    »Könnte man durchaus so formulieren«, sagte Kiefer. Er hatte Spaß
    an diesem netten, kleinen Zeitvertreib. Wer hätte gedacht, dass diese Nacht eine so unterhaltsame Wendung nehmen würde?
    Bubi hingegen ging das Spiel des Freundes langsam zu weit. Wieder war es für ihn an der Zeit, sich unwohl zu fühlen. Kiefer, fand er, konnte in der einen Minute der beste Freund der Welt sein, jemand, der sich fraglos für ihn opfern würde. Eine Minute später war er ein Sadist, ein wirklich irres Arschloch, vor dem selbst er Angst bekam.
    »Sollten wir ihn nicht lieber doch …«
    »Nein!« Kiefer kniff die Augen zusammen. »Und du«, er trat Fuchs in die Kniekehle, »fang jetzt endlich an zu graben.«
    Hermann Fuchs legte den Spaten zur Seite und begann, den lockeren Gartenboden aufzuhacken. Er schaufelte junge Möhren und Ringelblumen auf einen Haufen, mitten in Sattlers Bohnenkultur.
    Er arbeitete langsam. Er brauchte Zeit zum Überlegen. Heute war kein guter Tag zum Sterben. Er hatte Hunger, kein Geld und stank fürchterlich. So wollte er nicht abtreten.
    Kiefer und Bubi beobachteten ihn. Sollte er ihnen eine Ladung Erde ins Gesicht schleudern und weglaufen?
    »Du hast uns immer noch nicht erzählt, wie du heißt«, nahm Kiefer den Faden wieder auf. »Was soll nun auf deinem Grab stehen?«
    »Fuchs.«
    »Wie bitte? Ich hab dich nicht verstanden!«
    »Fuchs«, sagte er laut und deutlich. »Hermann Fuchs.«
    »Fuchs! Na, dann dürftest du doch keine Schwierigkeiten damit ha ben, dir eine gemütliche Erdhöhle zu bauen, oder?«
    Fuchs ließ das Werkzeug sinken und ging in der noch flachen Grube auf die Knie. »Bitte, lasst mich doch gehen! Niemandem werde ich et was verraten. Oder lass mich für dich arbeiten.« Er sprach jetzt nur noch mit Kiefer als wäre Bubi gar nicht anwesend. »Ich kann dir wertvolle Dienste leisten in Bonndorf. Keiner kennt mich, niemand weiß, dass ich zu dir gehöre.«
    Kiefer hörte mit unbeweglicher Miene zu, nicht einmal Bubi wuss te in diesem Moment, was in seinem Freund vorging.
    Und Fuchs redete um sein

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