Rattentanz
seine Intrigen. Er kann niemanden beschwatzen. Ihr wisst, wie schön er reden kann und wie gern man auch heute noch an Versprechungen glaubt, von denen man aber ganz genau weiß, dass sie sich niemals erfüllen werden. Aber man hört sie eben gern und möch te an sie glauben. Wenn dann so ein Politiker wie Basler kommt und dir verspricht, was immer du willst … da sind schon ganz andere schwach geworden. Wir haben, entgegen besseren Wissens, unsere wirklichen Politiker auch alle paar Jahre wieder gewählt und warum? Weil wir die Hoffnung nicht aufgeben wollten, dass sie doch einmal irgendwas auf die Reihe bringen und nicht nur an die kommende Wahl denken.«
»Er wird Frieder durch den Dreck ziehen«, gab Eisele zu bedenken.
»Vielleicht als, als Alkoholiker bezeichnen.«
»Ich glaube, ich bin Alkoholiker. Sagt jedenfalls Eva.«
»Und wenn er behauptet, dass du uns schon einmal im Stich gelas sen hast und dies bestimmt wieder tun wirst?«
»Soll er doch.« Faust winkte ab. »Ich habe kleine, gelbe Monster ge sehen, die im Dunkeln leuchteten, da wird mir doch ein Roland Basler keine Angst machen.«
»Bist du bis Sonntag kräftig genug, in die Krone hinunterzugehen und zu den Leuten zu sprechen? Wenn wir die Sache dadurch vermas seln, dass du noch zu schwach bist und mitten im Saal zusammenbrichst, können wir unseren Plan vergessen. Basler wird die Situation für sich ausnutzen und am Ende als der große Retter dastehen. Wie immer. Und alle werden ihm glauben«, sagte Eisele.
Faust zögerte mit seiner Antwort.
»Du hast recht, Christoph. Vielleicht sollten wir noch eine Woche warten. Wenn ich bis dahin noch nicht selbst hinunterlaufen kann, könnt ihr mich notfalls in einer Schubkarre in die Kirche und zum alten Winterhalder karren. Ich bin nicht krank. Nur schwach.«
»Aber scheinbar nicht mehr schwach genug.« Susanne kam aus der Stube herüber und wischte noch einmal über den Küchentisch. Sie sprach leise, wie sie es gewohnt war, und in der Stimme schwang ein leichter Vorwurf als sie sagte: »Jetzt bist du noch nicht einmal richtig bei Kräften und willst dich schon wieder mit Roland anlegen. Müssen das Männer machen? Immer verdrängen und kämpfen und schauen, wer der Stärkere ist?« Sie hielt inne, fast erschrocken wartete sie mit gesenktem Blick auf Fausts Reaktion. Früher wäre er schon lange aufgesprungen. Aber Faust, mindestens ebenso erschrocken über die unverlangte Meinungsäußerung seiner Frau, suchte noch nach einer passenden Antwort, da war sie längst wieder verschwunden. Sie ging zu Bubi hinauf, es war Zeit, ihn zu wecken. Er sollte noch etwas essen und seinen Vater begrüßen und bei Sonnenuntergang Jürgen Mettmüller abholen. Als Eckard Assauer und Christoph Eisele gut gelaunt Fausts Haus verließen, saß Susanne bei Bubi am Bett und erzählte diesem von den soeben geschmiedeten Plänen.
Für Eckard Assauer gab es keine Erinnerungen an die Tage unmittelbar nach dem Flugzeugabsturz. Alles bis zu seinem Erwachen war nie geschehen, waren Geschichten, die ihm fremde Menschen erzählten, Märchen vielleicht, in denen er keine Hauptrolle gespielt hatte, nicht einmal eine unbedeutende Nebenrolle. Er war tagelang nur Statist gewesen, so unwichtig wie ein Strauch in einer Filmszene, ein Mann, der, ob er nun existierte oder nicht, dem Verlauf des Geschehens keinerlei Stempel aufdrückte. Drei Tage in Eckard Assauers Le ben, die nicht existierten und niemals wieder existieren würden. Die Erinnerungen, die er an diese erste Zeit nach der Katastrophe hatte, wa ren die Betrachtungen anderer, Worte, von diesem und jenem erzählt, Worte, die in seinem Kopf zu einer imaginären Erinnerung verschmolzen, um die notwendige Brücke zu bauen zwischen Vergangenheit und Jetzt. Eine Verbindung, die ihm half, das Unfassbare zu begreifen.
»Der liebe Gott passt bestimmt auf dich auf!« Für Lea, die nur ungern von seiner Seite weichen wollte, war alles so einfach. »Gott passt auf jeden auf. Auf Mama und Papa, auf das Baby. Und auf dich!«
Assauer und Eva saßen im Schein zweier Kerzen im Wohnzimmer. Der kleine Schwedenofen verströmte etwas Wärme und auf seiner Platte stand ein Topf mit heißem Wasser. Sie tranken Tee. Lea lag seit einer Stunde im Bett ihres Vaters und schlief endlich.
»Sie glauben nicht an Gott?«, fragte Eva. Als Lea von Gott gesprochen hatte, konnte Eva beobachten, wie Assauer die Augen verdrehte, dem Kind zuliebe aber auf die Antwort, die ihm auf den Lippen lag, verzichtete. Jetzt
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