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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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seiner Frau zu Hilfe humpeln, als Bubi ihm ein Bein stellte. Seger schlug auf den Asphalt.
    »Mama! Nein!«
    Thomas Bachmann sah nur noch Lea, seinen kleinen Engel. Sie hatte ihre Locken verloren, aber sie war ein Engel, der Engel, den die Großmutter des Teufels berührt hatte. Thomas sah Lea und den Fuß, der nach dem Kind trat. Kiefer zerrte an Evas Arm, am Bein der Frau hing der Engel und wurde getreten.
    Nein, Thomas, sagte Nummer eins zwischen seinen Ohren. Du hast die drei Haare nicht mehr. Du kannst ihr nicht helfen. Die Dose mit den drei Haaren, die er Hildegund Teufel ausgerissen hatte, war seit der Nacht, in der Hermann Fuchs gestorben war, unauffindbar. Sie lag versteckt unter einem verrosteten Pflug. Thomas ignorierte die Worte in seinem Kopf.
    Sollte der Engel heute und hier sterben, so trug er die Schuld daran!
    Schließlich war es seine Aufgabe, den Engel zu beschützen. Es gab nur noch so wenige Engel. Es gab viel mehr Leichen, der Friedhof konnte sie kaum noch fassen und auch wenn Nummer drei bei jedem Toten jubilierte und gleichzeitig tief betrübt das eigene Überleben bedauerte, wusste Thomas, dass es nicht richtig sein konnte, wenn man starb. Nicht, wenn es sich um Kinder handelte. Nicht, wenn es ein Engel war.
    Der böse Mann tritt sie!, kreischte Nummer zwei. Nein! Er darf das nicht!
    Wir können nichts tun.
    Oooh, das glückliche glatzköpfige Engelchen. Wie ich es beneide. Noch sieben Mal atmen, dann ist es beim Teufel und seiner haarlosen Großmutter, dort, wo wir hingehören!
    Kiefer hatte Lea noch immer nicht von ihrer Mutter trennen können. Er sah sich um. Die Sache stand kurz davor, ihm aus den Händen zu gleiten. Er hatte Eva und hatte sie doch noch nicht. Schon richteten sich Uwe Sigg und Berthold Winterhalder auf und gierten nach den Lebensmitteln. Und auch Hans kroch auf ihn zu.
    Bubi trat einen Schritt nach vorn. Hatte er Kiefer nicht mehr als einmal gesagt, dass Lea nichts geschehen durfte?
    »Dann kommt ihr eben beide mit.« Kiefer drängte Eva in den Wa gen, Lea ließ ihre Mutter noch immer nicht los. »Bleib sitzen!«, schrie Kiefer und rannte auf die andere Seite des Fahrzeugs. Lea kletterte ih rer Mutter auf den Schoß. Fast zeitgleich stürzten Bubi und Thomas nach vorn. Hans kam auf die Beine. Der Schmerz zerriss ihn fast und machte ihn langsam.
    »Ich hab dir gesagt, du sollst Lea in Ruhe lassen!«, brüllte Bubi und warf sich auf Kiefer. Thomas rannte zur Beifahrerseite und wollte Lea packen, griff aber ins Leere. Kiefer hatte Bubis Angriff abwehren können, ihn zur Seite gestoßen und sich in den Wagen geschwungen. Er legte den ersten Gang ein, löste die Handbremse und gab Gas. Was danach kam, ging so schnell, dass später niemand mehr den genauen Ablauf und wie es zur Katastrophe kam, rekonstruieren konnte. Kiefer wollte den Wagen aus dem Dorf steuern, aber Frieder Faust versperrte ihm den Weg. Hinter Kiefer stand eine Horde ausgehungerter Gestalten, die dem fliehenden Fahrzeug wenigstens einen Teil seiner Schätze aus dem Inneren reißen wollten. Und die Schätze, die Uwe und Lisa Sigg, der alte Winterhalder, Basler und die anderen sa hen, hießen weder Eva noch Lea. Thomas kam wieder auf die Beine und rannte Lea hinterher. Und wenn er bis ans Ende seines Lebens rennen müsste, Lea durfte nicht mitgehen. Nicht sein kleiner Engel!
    Kiefer ließ den Motor aufheulen und steuerte auf den Pfarrer, Faust und die anderen zu. Nur ein paar Meter lagen zwischen ihnen. Eva sah Menschen zur Seite springen, hörte Kiefers Kampfgeheul und die Schreie ringsum. Irgendwo hörte sie Hans rufen, Lea klammerte sich um ihren Hals und schluchzte.
    Dann sah sie Frieder Faust. Faust blieb auf der Straße stehen und versperrte ihnen den Fluchtweg. Kiefer zögerte keine Sekunde, weder korrigierte er die Fahrtrichtung noch ging er vom Gas. Er lachte irre, als Faust und der knallrote Polo zusammenstießen. Faust wurde emporgehoben und gegen die Windschutzscheibe geschleudert.
    »Arschloch!«, kreischte Kiefer, dann zersprang, wie eine Antwort auf seinen Ruf, die Windschutzscheibe in Tausende kleine Splitter. Die Splitter klammerten sich fest aneinander. Kiefer konnte nichts mehr sehen, Faust fiel leblos wie eine Schaufensterpuppe von der Motorhau be. Kiefer beugte sich nach vorn und hämmerte mit der nackten Faust gegen die Scheibe, berührte mit dem Vorderrad die Bordsteinkante und riss das Steuer herum. Aus dem Kofferraum fielen Lebensmittel, eine Flasche Wein zerplatzte auf dem Asphalt und

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