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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Männern lockte andere an. Gemeinsam brachten sie Basler weg. Martin Kiefer trug man in den Keller des Gasthauses. Er verschwand hinter einer festen Holztür in einem fensterlosen Gewölbe. Um ihn wollte man sich später kümmern. Eva zitterte. Sie saß auf den Stufen zum Gasthaus. Hans hielt sie und Lea fest umschlungen, Hans war bei ihnen, beschützte sie, während Martin Kiefer in seinem Gefängnis erwachte, es abtastete und gegen die Tür trat. Das dumpfe Echo seiner Tritte war bis in den Gast-raum hinauf zu hören – gedämpfte Glockenschläge aus einer anderen Welt.
    Eva zitterte, obwohl alles vorbei war. Erst jetzt schien sie die wirkliche Gefahr zu begreifen, die Gefahr, in der sie geschwebt hatte. Martin Kiefer war vor langer Zeit einmal ein Teil ihres Lebens gewesen, umso unbegreiflicher war sein Hass, seine Wut und Besessenheit. Eva suchte die Schuld bei sich. Womit hatte sie Martin dermaßen verletzt? War es ihre Trennung von ihm? War es die Hochzeit mit Hans, die Geburt Leas?
    »Geht’s dir gut?«
    Eva nickte.
    »Dem Baby auch?«
    »Ja.«
    »Gott sei Dank, Liebes«, sagte Hans. Er legte seine Hand auf die Rundung ihres Bauches. »Jetzt ist es vorbei.« Aber nichts war vorbei. Nichts war gut.
    »Frieder ist tot?«
    Hans nickte.
    »Weil er für mich eintrat?«
    »Ja. Weil er dich beschützen wollte.«
    »Ich will ihn sehen.« Eva befreite sich aus Hans’ Umarmung. Hans führte sie und Lea ins Haus und an den Tisch, auf dem Frieder Faust lag. Faust lag auf dem Rücken. Seine Hosen waren zerrissen, genau da, wo sich Beine und Stoßstange getroffen hatten. Eine mitleidige Seele hatte seine Beine möglichst gerade hingelegt, aber an beiden Schienbeinen klafften hässliche Wunden und bei genauerem Hinsehen sahen Fausts Beine aus, als hätten sie unterhalb beider Knie ein weiteres Gelenk. Im Nacken breitete sich schnell ein riesiger Bluterguss aus. Fausts Gesicht war vom Aufprall auf dem Asphalt mit Kratzern übersät, auf der Stirn klaffte ein breiter Riss, in dem kleine Steine klebten. Eva ging zu Faust und Susanne. Die saß teilnahmslos auf einem Stuhl neben ihrem Mann. Eva gab Susanne einen Kuss. Dann beugte sie sich über Fausts Gesicht. Sie zögerte, überall glänzten frische Schürfwunden und Blut, schließlich küsste sie Frieder Faust auf den Mund.
    »Danke«, flüsterte Eva.
    Faust hatte sie in sein Haus aufgenommen, Faust war heute für sie eingetreten. Mit Faust, wusste sie, ging nicht nur ein Mann, sondern auch viel der gerade aufkeimenden Hoffnung im Ort.
    »Danke.«

105
    12:52 Uhr, Wellendingen
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    Schuldgefühle machten die kleine Gemeinde sprachlos. Ohne auf eine Anweisung zu warten, ging Bardo Schwab auf den Friedhof und nahm dort Hacke und Spaten. Am Spaten klebte frische Erde. Am En de der Gräberreihe, die sich außen an die Rückseite der Friedhofsmau er schmiegte, hob er das Grab für Isabell Dörflinger aus. Als ihm die Grube tief genug schien, ging er zurück in den umfriedeten Bereich und sah sich um. Alle möglichen Grabstellen waren belegt, in der überwiegenden Zahl von frischen Erdhügeln. Auf manchen standen hastig zusammengezimmerte Holzkreuze, mit Name, Geburts-und Sterbedatum. Es gab aber auch Gräber ohne Bezeichnung, weil keine Angehörigen oder Freunde mehr hier waren, die sich darum gekümmert hatten. Oder weil damals einfach keine Zeit war. Heute wusste nicht einmal mehr Bardo Schwab mit Gewissheit zu sagen, wer sich in welchem Grab verbarg.
    »Was suchst du?« Hans war aus dem Ort zum Friedhof gehumpelt, Eva und Lea folgten ihm in einiger Entfernung.
    »Eine Stelle für Frieders Grab. Ich dachte, es wäre schön, wenn wir ihn wenigstens innerhalb der Friedhofsmauern beerdigen könnten. Aber sieh selbst, es ist alles belegt.« Schwab nahm die Hacke und woll te schon zurück und neben Isabell Dörflingers Grab ein weiteres Loch für Faust ausheben, als ihn Hans zurückhielt.
    »Wie wäre es hier?«
    »Wo?«
    »Hier. Genau da, wo wir stehen«, sagte Hans und zeigte mit dem Finger nach unten.
    »Mitten auf dem Weg?«
    »Warum nicht? Wozu brauchen wir die breiten Kieswege? Und hier läuft jeder, der den Friedhof betritt, genau auf Frieders Grab zu. Ich finde die Stelle angemessen.«
    Bardo Schwab ließ sich den Vorschlag kurz durch den Kopf gehen. Dann trat er zurück, hob die Hacke hoch über den Kopf und begann, Fausts Grab mitten auf dem breiten Hauptweg des Friedhofes anzulegen. Hans nahm die Schaufel und warf die Erde auf die Seite. Sie hat ten die Grube etwa zur

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