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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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gerecht organisierst, Christoph.«
    »Von mir aus, wenn es sein muss.«
    »Und wen schicken wir jetzt nach Waldshut aufs Landratsamt?«
    »Wieso nach Waldshut? Bardo hat doch berichtet, wie es dort zugeht und dass die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Viel leicht ist es in Stuttgart besser? Ich finde, jemand sollte nach Stuttgart fahren.«
    »Fahren?«
    »Natürlich. Autos haben wir ja!«
    »Und was ist mit den Straßen?« Jürgen Mettmüller erhob sich.
    »Wie Anne und Bardo berichteten, ist vor zwei Stunden bereits kaum noch ein Durchkommen möglich gewesen. Und die beiden waren auf relativ unbedeutenden Straßen zwischen relativ kleinen Ortschaften unterwegs. Was meinst du, wie es jetzt auf den Autobahnen und erst in Stuttgart aussieht.«
    »Jürgen hat recht.« Frieder wirkte selbstsicher und wurde von den Dorfbewohnern offenbar in seiner neuen Rolle akzeptiert. »Selbst wenn es einer von uns bis nach Stuttgart schaffen sollte, was soll er dort? Hilfe holen? Wenn die die gleichen Probleme haben wie wir, haben sie genug mit sich selbst zu tun. Und wenn in Stuttgart und weiter nördlich die Versorgung mit Strom und Wasser noch funktioniert und die Telefone gehen, werden sie in den nächsten Tagen ganz von allein hier bei uns auftauchen.«
    »Vater!« Bubi hielt es nicht mehr aus und versuchte, sich leise bemerkbar zu machen. »He, Vater!«, zischte er und winkte.
    »Was ist denn?«, fuhr der herum.
    »Ich habe einen Überlebenden gefunden!«
    Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Sofort drängten die Menschen aus dem engen Saal auf den Parkplatz vor dem Haus und umringten den rostigen Passat. Auf der Rücksitzbank saß ein alter Mann mit schneeweißem Haar, das ihm in leichten Wellen bis auf die Schultern fiel. Auch sein kurz gehaltener Vollbart war weiß. Der Mann sah traurig aus und unendlich müde.
    »Schnell! Holt ihn raus!« Martin Kiefer drängelte sich nach vorn und öffnete die Tür. »Kommen Sie, wir helfen Ihnen.« Und zu den Umstehenden: »Los, fasst mit an, wir müssen ihn reintragen.«
    Kiefer zog Professor Assauer aus dem Wagen und zu dritt trugen sie ihn ins Gasthaus. »Fehlt Ihnen etwas?«
    Assauer schwieg und starrte unbeteiligt ins Leere. Was ihm fehlte, würde ihm kein Mensch der Welt zurückgeben können. Sybilla. Und Kevin.
    »Macht Platz!«

14
    15:00 Uhr, Krankenhaus Donaueschingen
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    Gestern war die Welt noch in Ordnung. Strom und Wasser und Computer funktionierten so, wie sie funktionieren sollten und für die Menschheit entsprach das Morgen vermutlich dem Heute und Ges tern und war nur mehr dessen logische Fortsetzung. Gestern hatten Punkt zwölf, wie jeden Mittag, die Kirchenglocken der Stadt geläutet. Heute war alles still. Blieb alles still.
    Joachim Beck kannte das am Stadtrand liegende Krankenhaus aus eigener Erfahrung. Ein bei einem Einsatz gebrochener Finger war hier gerichtet und eingegipst worden und mindestens zweimal im Monat musste er nach einer geschlichteten Schlägerei mit einem Opfer hierher oder einen betrunkenen Autofahrer einem Blutalkoholtest unterziehen lassen.
    Als er jetzt aber den Wartebereich betrat, erkannte er die sonst so beschauliche Einrichtung kaum wieder!
    Es herrschte heilloses Durcheinander. Menschen hetzten hinein, wesentlich mehr aber verließen die Klinik. Alles machte den Eindruck einer unkoordinierten, spontanen Evakuierung des Krankenhauses. Zeitgleich suchten immer mehr Verletzte nach Behandlung und schneller Hilfe. Beck drängelte sich an einer älteren Frau vorbei, die ihren Mann in einem Rollstuhl aus der Klinik schob. Ihr liefen Tränen übers Gesicht und er rief vergebens nach einem Taxi. Die Frau weinte, weil sie die Hilf-und Sinnlosigkeit seiner Rufe längst erkannt hatte. Aber die Angst vor der Enttäuschung in seinen Augen hielt sie zurück. Und ließ sie weinen.
    Becks zerschnittene Handfläche war mit einer Krawatte notdürftig verbunden. Vor einer Stunde hatte sie endlich aufgehört zu bluten. Salm hatte ihm das schmale Stück Stoff um die Verletzung geknotet und ihn ins Krankenhaus geschickt.
    Frederik Salm, sein Vorgesetzter und Leiter des Donaueschinger Polizeireviers, hatte auf dem Weg zurück in seine Dienststelle Joachim Beck mit nur einem Schuh, gebrochener Nase und blutender Hand an sich vorbeirennen sehen. Aus Angst vor dem Lärm, der aus dem nahen Revier zu ihm drang, hatte er sich hinter ein geparktes Auto gekauert. Erst als er halbwegs sicher sein konnte, dass Beck nicht verfolgt wurde, rannte er seinem

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