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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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und waren perfekt al dente gekocht. Die Sauce war Lena ebenfalls exzellent gelungen. Sogar Parmesan hatte sie im Kühlschrank gefunden und frisch gerieben. Sie aßen mit gutem Appetit. Wiebke fühlte sich wohl. Es war lange her, dass sich jemand um sie gekümmert hatte.
    »Sag mal, wie ist es bei dir?«, wollte sie wissen. »Gibt es einen Mr.   Right?«
    Lena schaute Wiebke an, als würde sie etwas völlig Unverständliches fragen. »Einen?«, erwiderte sie lachend. »Nein, ich verfolge nicht das Lebenskonzept ›Ich suche mir den Partner, mit dem ich alt werde‹. Ich habe immer mal wieder einen, aber nie fest und nie eng. Das würde ich nicht verkraften.«
    »Was würdest du nicht verkraften? Eine Beziehung?«
    »Wenn du so willst. Klar hat ein fester Partner seine Vorteile. Aber man muss auch Kompromisse machen. Und für mich ist die Summe der nachteiligen Kompromisse eben schwerwiegender als die der unbestreitbaren Vorteile.«
    »Hmm. Und was ist mit Kindern?«, fragte Wiebke und schämte sich sofort dafür. Wann immer man sie früher darauf angesprochen hatte, warum sie denn »noch nicht«, »immer noch nicht« oder »leider keine« Kinder hatte – je nachdem, in welchem Lebensjahrzehnt die ungebetene Einmischung erfolgt war –, hatte sie wie eine Furie reagiert.
    Lena hingegen blieb gelassen. »Kinder nerven, wie gesagt. Was anderes: Dieser neue Serienmörder, wie weit seid ihr da?«
    Jeder hat einen Vertrauten, dem er alles erzählt, dachte Wiebke und sagte: »Es ist zum Kotzen. Weiß der Teufel, warum er will, dass ich ihn jage, wo er mir doch jedes Mal schreibt, dass er mich für eine Pfeife hält. Wir kennen die Identität der Opfer nicht. Wir kennen den Tatort nicht. Wir haben nicht eine Leiche. Es ist wie ein Blindflug ohne Instrumente.«
    »Wie viele bis jetzt?«, fragte Lena.
    »Heute wurde uns das dritte Opfer präsentiert.«
    »Scheiße.«
    Sie plauderten noch stundenlang. Sie tranken viel Bier. Wiebke weihte Lena in ihr Leben ein. Sie erzählte von ihrer Vergangenheit, von dem Fall, der ihr Leben verändert hatte, von Günter und Jonas und natürlich von der aktuellen Belastung durch »Max und Moritz«. Lena berichtete Wiebke im Gegenzug von ihren eigenen Wünschen, Träumen und Vorstellungen. Als sie beide gegen zwei Uhr todmüde waren, hatten sie das Gefühl, sich schon Jahrzehnte zu kennen.
    Lena nächtigte auf dem Sofa, weil – Polizistin hin, Polizistin her – Autofahren unter Alkohol Ärger bedeutete. Am nächsten Morgen fuhr sie Wiebke zum Dienst. Das Aufstehen um sechs war für beide nicht einfach, doch ihr geteiltes Leid ließ es sie mit Fassung tragen.
    * * *
    Als Wiebke das Konferenzzimmer betrat, waren die meisten Kollegen schon anwesend. Sie fühlte sich übernächtigt, auch wenn ihr Lena heute Morgen versichert hatte, sie würde prächtig aussehen. Wiebke nahm Platz. Sie hatte das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Na, dreht die Menn heute wieder durch? So oder so ähnlich würden die Kollegen nach ihrer gestrigen Reaktion auf das Gedicht doch denken. Sie musste unbedingt mit Bergmüller reden. Sie glaubte nicht mehr, dass das Suchen in alten Folianten mit längst senilen Tätern sie auf die richtige Spur bringen würde. Richtig war zwar, dass der Täter sie kennen musste. Außerdem musste er sie – der Teufel wusste, warum – hassen. Aber deshalb musste es nicht zwangsläufig einer der von ihr verhafteten Menschen sein. Klar würde sie dieser Spur bis zum Ende nachgehen. Alles andere wäre unverantwortlicher Leichtsinn. Das hieß aber nicht, dass sie ihre Fühler nicht auch in eine andere Richtung ausstrecken konnte.
    Am Morgen war ihr nämlich unter der Dusche ein Gedanke gekommen, wie sie vielleicht effektiver an die Person oder wenigstens an den Typus des Täters herankommen könnte. Sie war gespannt, was Bergmüller dazu sagen würde. Dazu musste aber erst einmal dieses vermaledeite Meeting vorbei sein. Dabei hatte es noch nicht einmal angefangen. Sie sah ja ein, dass man sich regelmäßig auszutauschen hatte. Aber diese Treffen gingen ihr erstens auf den Geist und waren zweitens immer zu lang. Nur hatte sie das ja im Moment nicht zu entscheiden, weil schließlich Bergmüller die Soko führte.
    Bergmüller hielt die Einsatzbesprechung heute jedoch glücklicherweise kurz.
    »Meine Damen und Herren Kollegen«, sagte er, nachdem er einigen Kollegen weitere Aufgaben zugewiesen hatte. »Ich weiß, dass den einen oder anderen sicher das Gefühl beschleicht, seine Arbeit

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