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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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wenn du’s selbst spießig findest, warum änderst du das dann nicht? Oder will er das so?«
    »Günter? Nein. Ich muss das so haben.«
    »Das verstehe ich nicht. Einerseits gefällt es dir nicht, andererseits sagst du, dass es so sein muss.«
    »Darf ich offen sein?«, fragte Wiebke.
    »Sicher.«
    »Was weißt du über mich?« Wiebke war sich darüber im Klaren, dass ihre bewegte Geschichte kein dienstliches Geheimnis war. Jeder Kollege wusste etwas mehr über sie als über die meisten anderen Kollegen. Es bot sich nun eine gute Gelegenheit herauszufinden, was das war.
    »Du bist wohl der bunteste Hund in unserem Laden. Jeder kennt dich – oder meint dich zu kennen. Deine erste Ehe ist gescheitert. Bei deinem letzten großen Fall bist du vom Täter fast in der Ostsee ertränkt worden. Dann hast du ganz romantisch deinen Lebensretter geheiratet. Ihr habt ein Kind bekommen. Ihr habt euch verkracht, und er ist ausgezogen. Ein neuer Serientäter will nun, dass du ihn jagst. Aber du bist noch in der Elternzeit. Deshalb musste dein Mann den Kleinen übernehmen. Das ist so im Wesentlichen das, was man sich erzählt.«
    Wiebke war bass erstaunt.
    »Die Kollegen wissen, dass ich getrennt lebe?«
    »Du weißt doch: Die sicherste Methode, um etwas schnell zu verbreiten, ist die, den Umstand als ›vertraulich‹ zu bezeichnen.«
    »Und woher weißt du von dem Serientäter? Wir haben Nachrichtensperre.«
    »Jeder von uns hat doch mindestens einen Kollegen, dem er alles anvertraut. Somit verbreiten sich auch Geheimnisse sehr schnell und sehr gründlich.«
    Das könnte Bergmüller mit »überinterpretieren« gemeint haben. Dass sie siebzehn Soko-Mitglieder waren, wussten diese siebzehn, mit Zielkow sogar achtzehn. Wenn jeder von ihnen diese Information an achtzehn weitere weitergeleitet hatte, und diese vielleicht an weitere achtzehn … sie wollte gar nicht zu Ende rechnen, denn irgendwann war der Vertraute eines Polizisten vermutlich nicht mehr Polizist und die Information nicht mehr geheim. Das alles passierte automatisch, ohne dass man sich wie ein Verräter vorkam. Es war sozusagen die natürliche Informationsdiffusion, mit der man leben musste.
    »Gut«, sagte sie. »Das war alles richtig. Bis zu dem Mordversuch an mir war ich allerdings unordentlich. Eine richtige kleine Schlampe, wie ich selbst einräumen muss. Meine Chefs habe ich mit dem Chaos auf meinem Schreibtisch in den Wahnsinn getrieben. Und im Kühlschrank lagen regelmäßig Lebensmittel, deren Zustand man im besten Fall als kritisch bezeichnen konnte. Ich habe gern auf dem Sofa gesessen, Chips gegessen und Martini geschlürft.«
    »Und dann?«
    »Nach meiner Rettung störte mich plötzlich jede Unordnung. Ich musste aufräumen, weil mir alles, was nicht an seinem Platz lag, Angst machte. Das ist bis heute so. Wenn ich unaufgeräumte Wohnungen sehe, kriege ich Schweißausbrüche. Ich habe dann sogar den Drang, dort aufzuräumen.«
    »Das gilt aber besonders hier bei dir zu Hause, nicht wahr?«
    »Ja, natürlich.«
    »Und was sagt dein Mann dazu?«
    »Er hat’s hingenommen. Wie er persönlich dazu steht, weiß ich nicht. Wir haben in der letzten Zeit nicht mehr so viel miteinander gesprochen. Ich bin ja, nachdem Günter und ich zusammengekommen waren, sehr schnell und in meinem biblischen Alter ausgesprochen überraschend schwanger geworden.«
    »So ein Kind nervt, nicht?«, sagte Lena.
    Wiebke wollte erbost protestieren. Aber hatte ihre Kollegin in ihrer jugendlichen Art nicht genau das ausgesprochen, was sie – bei aller Liebe zu Jonas – manchmal dachte, aber nicht äußerte, weil es ein gesellschaftliches Tabu war? Zuzugeben, dass die eigenen Kinder nerven konnten? »Da sagst du was«, erwiderte sie. »Entschuldigung, hast du eigentlich Hunger?«
    »Und wie«, sagte Lena und sprang auf. »Ich mach uns was.«
    Wiebke wandte ein, dass sie schließlich die Gastgeberin war, doch Lena verwies auf ihre gastronomische Ausbildung und machte sich in der Küche zu schaffen. Wiebke stand daneben und beobachtete sie.
    »Ist ja alles da«, meinte Lena und fing an, Hackfleisch in der Mikrowelle aufzutauen und Zwiebeln und Knoblauch zu schneiden. Sie suchte und fand Tomatenpüree und ordnete die Gewürze und Kräuter. Es sah alles sehr, sehr professionell aus, was sie da machte. »Spaghetti Bolognese, ist das okay für dich?«, fragte sie, als das Wasser für die Nudeln schon sprudelte.
    »Super.«
    Kurz darauf saßen die beiden am Esszimmertisch. Die Spaghetti dampften

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