Raue See
könnte sinnlos sein. Natürlich macht es auch mich wütend, wenn der Täter uns wie einen Bären am Ring durch die Nase vorführt. Genau damit aber rechnet dieser Tätertypus. Er weiß, dass sich unter den Ermittlern wegen ausbleibender Erfolge eine Resignation breitmacht. Das will er auch so. Deswegen müssen wir mit aller Kraft dagegen angehen. Jeder von uns kann den entscheidenden Hinweis finden, auch wenn es manchmal überhaupt nicht danach aussieht. Ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich betone, dass es oft die Kleinigkeiten sind, die zum Erfolg führen. Suchen Sie sie, überlegen Sie, wo er einen Fehler gemacht hat und was ihn verraten könnte. Wir haben nicht viel Zeit! Und dass er es ernst meint, daran hegt hier wohl niemand mehr einen Zweifel. Also, Kollegen: an die Arbeit!«
Wiebke blieb sitzen, während die anderen aufstanden, hinausgingen und sich auf ihre Büros verteilten. Bergmüller räumte seine Sachen zusammen und tat zunächst, als würde er sie nicht bemerken.
»Wiebke«, sagte er unvermittelt, als die anderen gegangen waren. »Ich möchte dich um halb elf in meinem Büro sehen. Wir müssen miteinander reden.«
»Das sehe ich auch so«, antwortete sie fest. Ein bisschen Bammel hatte sie schon. Denn ihre Reaktion gestern war, auch wenn alle Verständnis heuchelten, sicher nicht der Beweis von Professionalität und Belastbarkeit gewesen. »Warum erst um halb elf?«
»Weil ich vorher zur Pressekonferenz muss.«
»Welche Pressekonferenz?«
»Zielkow und ich waren der Meinung, dass die Nachrichtensperre aufgehoben werden muss. Wir wollen die Bevölkerung um Mithilfe bitten. Außerdem wollen wir sie warnen und um besondere Vorsicht bitten. Zielkow hat gestern Abend über seine Sekretärin die Redaktionen informiert. Nachdem sie andeuten sollte, worum es geht, ist uns eine rege Teilnahme sicher.«
»Du hoffst auf Kommissar Zufall?«
»Das hat Eberhard auch gesagt«, meinte Bergmüller lächelnd. »Ja. Wir dürfen keine Möglichkeit auslassen. Jetzt nicht mehr.«
»Das könnte aber eine Panik verursachen.«
»Auch diese Bedenken hatte er. Aber ich bleibe dabei: Es muss sein.«
»Wie ihr meint«, sagte Wiebke mit einer Spur Resignation in ihrer Stimme. Sie war sehr stolz gewesen, als Zielkow ihr die Leitung der Mordkommission übertragen hatte. Jetzt war sie nicht mehr als eine einfache Kollegin, die ihren Job zu machen hatte. Eines der vielen Rädchen in einem Getriebe. Nicht einmal mitnehmen wollten sie sie zu dieser Pressekonferenz.
»Also um halb elf in meinem Büro?«
»Ja, ich werde da sein.«
Sie ging in ihr Büro und rief zunächst Carsten Franck an, den sie bat, ihr eine Kopie der DVD des »dritten Streichs« zu bringen. Ob sie nun wollte oder nicht und so widerwärtig der Gedanke an das, was sie gleich sehen würde, war: Es gehörte nun mal zu dem Job.
Dann fing sie an, die Idee von heute Morgen noch einmal zu durchdenken. Wichtige Details arbeitete sie heraus, Nebensächlichkeiten ließ sie weg. Eigentlich war es ganz gut, dass ihre Anwesenheit bei der Pressekonferenz nicht gefragt war. Sie hatte damit Gelegenheit, sich vorzubereiten. Gut vorbereitet zu sein, war immer eine gute Voraussetzung für ein vernünftiges Gespräch mit dem Chef. Besonders, wenn dieser den Namen Reinhard Bergmüller hatte.
ACHT
Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer in den Redaktionen herumgesprochen: Die Kriminalpolizei Rostock lud zu einer Pressekonferenz, in der es um eine rätselhafte Mordserie gehen würde. Das war der Stoff, aus dem Schlagzeilen gemacht wurden. Neben dem leicht erhöhten Platz für ihn und Reinhard Bergmüller stehend, betrachtete Zielkow nachdenklich die Szenerie.
Alle waren sie gekommen, obwohl er schon für neun Uhr dreißig geladen hatte.
Die Kollegen der schreibenden Zunft waren mit Fotografen erschienen, die bereits eifrig Fotos machten, obwohl die Pressekonferenz noch gar nicht begonnen hatte.
Draußen, vor dem Eingang zum Präsidium, hatte irgendein Fernsehsender Position bezogen. Er konnte nicht hören, was die Moderatorin sagte, sie stand mit dem Rücken zu ihm. Vermutlich machte sie gerade die Anmoderation für die Pressekonferenz. Jetzt konnte er das Logo auf der Kamera erkennen: Das Team war von »tv.rostock«, einem kleinen, aber recht gern gesehenen Lokalsender. Auch der NDR war da. Das ZDF ebenfalls, und die privaten Sender RTL und SAT 1. Soweit er das erkennen konnte, hatten auch die örtlichen Radiostationen je einen Berichterstatter geschickt. Das
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