Raue See
konnte ja heiter werden. Mit Sicherheit würden sich am Ende der Pressekonferenz Einzelinterviews nicht vermeiden lassen, und das, obwohl er und Bergmüller doch so wenig zu sagen hatten. Wo bleibt er denn nur?, fragte sich Zielkow mit einem Blick zur Uhr.
Carsten Franck, der sich wider Willen irgendwie zu Bergmüllers Mädchen für alles zu entwickeln schien, hatte Stühle aufgestellt und offensichtlich auch die Schilder angefertigt, auf denen ihre Namen standen. Gerade überprüfte er deren Sitz. Dann checkte er noch einmal die Mikrofone. Endlich erschien Bergmüller.
»Na, Eberhard«, sagte er mit einem jovialen Klaps auf Zielkows Schulter. »Dann mal rein ins Gewühl.«
Die beiden setzten sich auf ihre Stühle und warteten, bis alle Journalisten ihrerseits Platz genommen hatten. Da es mehr waren als erwartet, fand nicht jeder einen Stuhl. Doch irgendwann ebbte das Geräusch aus Gemurmel, Stühlerücken und Husten ab. Zielkow klopfte gegen das Mikrofon, räusperte sich und begann.
»Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Pressekonferenz der Kriminalpolizei Rostock. Ich danke Ihnen für Ihr zahlreiches Erscheinen und darf Ihnen zunächst den neben mir sitzenden Kriminaldirektor Reinhard Bergmüller vom LKA Schleswig-Holstein vorstellen, der hier ist, um uns bei diesem Fall zu unterstützen.«
»Guten Tag, meine Damen und Herren«, sagte Bergmüller mit einem Kopfnicken, während die Fotografen Bilder von ihm und Zielkow machten.
Der fuhr fort: »Der Anlass für diese Pressekonferenz ist dramatisch. Am 13. Juni erhielten wir durch eine anonyme Briefsendung eine DVD , auf der die Ermordung einer weiblichen Person zu sehen ist. Während wir überprüften, ob dieses Video echt war, erreichte uns eine zweite Sendung, die ebenfalls einen Film über die Ermordung einer weiteren weiblichen Person enthielt. Inzwischen sind alle Zweifel beseitigt. Die Videos sind echt. Die Morde haben tatsächlich stattgefunden.«
Ein Raunen ging durch den Saal, und Zielkow wartete einen Moment, bis die Aufregung verebbte. Die meisten Redakteure hielten nur ihr Diktiergerät in Richtung des Pultes, andere schrieben nach alter Manier fleißig mit.
»Ich kann Ihnen leider nicht ersparen zu sagen«, fügte Zielkow schließlich hinzu, »dass gestern ein drittes Video mit entsprechendem Inhalt bei uns aufgetaucht ist. Rostock hat es wieder mit einem Serienmörder zu tun.«
Trotz der Ihnen mit Sicherheit unter den Nägeln brennenden Fragen blieben die Journalisten erstaunlich diszipliniert. Sie warteten brav auf den erlösenden Satz, den Zielkow jetzt aussprach: »Haben Sie, bevor ich das Wort an den Kollegen Bergmüller weitergebe, irgendwelche Fragen?«
Die meisten Fragen betrafen die Details. Wann war es passiert? Wer waren die Opfer? Gab es schon einen Verdacht? Vorsichtig gab Zielkow Antworten. Hin und wieder aber berief er sich darauf, aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben zu können, so leid ihm das auch täte.
Einer der Zeitungsredakteure stellte schließlich die Frage, vor der sich Zielkow gefürchtet hatte: »Ich möchte die Kompetenz von Herrn Bergmüller nicht in Zweifel ziehen. Aber müssen wir denn wirklich noch immer Hilfe holen, wenn wir derartige Probleme zu lösen haben? Nichts gegen Schleswig-Holstein. Aber wozu haben wir 1992 unser eigenes LKA aufgebaut? Doch wohl für Fälle wie diesen, oder?«
Zielkow knetete seine Hände. Er sprach ganz ruhig, aber jeder im Saal merkte, wie sehr ihn diese Frage ärgerte. »Es ist richtig, dass der Kollege Bergmüller Beamter des Landes Schleswig-Holstein ist. Auch Ihre Anmerkung, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein eigenes LKA geschaffen wurde, trifft zu. Es verhält sich aber so, dass Herr Bergmüller über seine Eigenschaft als LKA -Ermittler hinaus anerkanntermaßen zu den fähigsten und erfolgreichsten Profilern gehört, die den deutschen Behörden zur Verfügung stehen. Und ich denke, ich gehe recht in der Annahme, dass Sie, wie wir auch, der Meinung sind, dass die Rettung von Menschenleben die Besten und nicht die Nächsten verlangt.«
Danach übergab Zielkow das Wort an Bergmüller, dessen forsche, sachkundige und sehr direkte Art bei den Journalisten ganz offensichtlich Eindruck machte. Es dauerte nicht lange, und er hatte, wie man so sagt, »den Saal im Griff«. Er ist und bleibt eine Rampensau, dachte Zielkow. Aber er macht es eben auch gut.
Zum Schluss appellierten sowohl Bergmüller als auch Zielkow an die Presse, keine Panik zu schüren,
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