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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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wegen, dachte er und legte das Handgerät weg. Mit dem richtigen Werkzeug und technischen Know-how glaubten die beiden Hühner im Einsatzfahrzeug vor ihm ohne Zögern, die Zentrale hätte angerufen. Dabei war er das gewesen. Prima, der neue Trick. Er würde ihn ›Bullen-Trick‹ nennen. Dann gab er Gas, um vor den beiden am Gelände zu sein.
    * * *
    Sie parkten den Wagen, stiegen aus und schritten auf die verfallenen Hallen zu. Ein Mann kam ihnen entgegen.
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte Lena. Statt zu antworten, zog der Mann eine Waffe, zielte auf Silke und schoss. Lena griff zum Holster, doch er war schneller. Sie spürte einen stechenden Schmerz und sank augenblicklich zu Boden. Beide bemerkten nicht mehr, wie er ihre leblosen Körper in den Kofferraum seines Autos wuchtete und ihnen sorgfältig Sedative injizierte. Die Körper deckte er mit einer Decke ab. Dann verließ er ungesehen das Gelände.

VIERZEHN
    Die Tage in Paris hatten ihr gutgetan. Nach den letzten Wochen hatte sie dringend eine Luftveränderung gebraucht. Ihr war klar geworden, dass sie es noch einmal mit Günter versuchen wollte. Er hatte sie verletzt, ohne Frage. Aber hatte sie nicht, als sich ihr die die Chance bot, ebenso einfach zugegriffen? Gelegenheit macht Diebe, sagte man. Außerdem schuldete sie es Jonas, bei der ersten ernsthaften Krise nicht einfach aufzugeben. Das konnte man mit zwanzig und kinderlos tun, fand sie, nicht als über vierzigjährige Mutter. Natürlich wusste sie nicht, ob es funktionieren würde, aber sie war entschlossen, den Versuch zu wagen. Sie erreichte die Blücherstraße um sieben Uhr fünfzig, ging in ihr Büro und machte sich einen Kaffee, nachdem sie vorher den Rechner eingeschaltet hatte. Sie wunderte auch heute wieder, dass das mit dem Hochfahren immer so lange dauern musste.
    Mit dem Kaffeebecher kehrte sie an ihren Schreibtisch zurück. Sie zog es vor, zuerst die eingegangene Post zu lesen. Es war aber nichts wirklich Wichtiges dabei, sodass sie die Schreiben in das Körbchen mit der Aufschrift »Eingangspost« legte. Dann las sie quer, was die anderen Dienststellen ihr in den paar Tagen zugeschickt hatten. Auch hier gab es außer den unvermeidlichen Dienstanweisungen und einigen verspäteten Berichten der Kollegen aus der Soko nichts Besonderes. Sie beschloss, das Einsortieren in die Ablage auf später zu verschieben.
    Schließlich öffnete sie das Mailprogramm. Eine Meldung nach der anderen poppte auf. Wie immer ging sie chronologisch vor und öffnete die zuletzt eingegangenen Mails zuerst. Sie ärgerte sich, wie so oft, wenn sie mal ein paar Tage nicht da war. Denn obwohl sie einen Spamfilter aktiviert hatte, waren gut die Hälfte der eingegangenen Mails Schrott. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie las eine Nachricht von Bergmüller. Er hatte ihr doch tatsächlich ein Foto geschickt, das ihn vor dem Opernhaus in Sydney zeigte. Er wünschte ihr viel Erfolg bei der Suche nach dem Mörder des Mörders, wie er sich in der Mail ausdrückte. Danach habe sicher auch sie einen ausgedehnten Urlaub verdient. Wie rücksichtsvoll, dachte Wiebke, schloss die Nachricht und scrollte weiter nach oben. Sekunden später gefror ihr das Blut in den Adern. »Sie haben Post von Moritz!« stand in der Betreffzeile einer Mail. Die Nachricht war leer, hatte aber zwei Anhänge.
    Wiebke öffnete das erste Dokument, ein PDF . Sie atmete flach, während sie das Gedicht las.
    »Max und Moritz machen beide
    Den Ermittlern keine Freude.
    Wiebke denkt, sie sind perdu,
    Doch sie freut sich viel zu früh.
    Zumindest Moritz bleibt verdorben,
    Denn nur Max ist just verstorben.
    Er wird weiter unverdrossen
    Fröhlich spielen seine Possen.
    Dass die eine doch kam frei,
    Ist nicht schlimm, jetzt sterben zwei.
    So hab in der schönen Sommerzeit,
    Wenn die fleiß’gen Mörderleut
    Viele schöne Dinge machen:
    Foltern, quälen und dann lachen,
    Ich gleich zwei mir mit Bedacht
    Durch ’ne List ins Haus gebracht.
    Ich lass es nicht dabei bewenden,
    Nur Lenas Leben zu beenden.
    Warum die Silke ist dabei?
    Wie gesagt: Ich brauchte zwei!
    Wiebke, schau den Film dir an
    Und denke dabei stets daran,
    Dass am Tode schuld bist du,
    Weil zu dumm, du blöde Kuh!
    Wärst du nämlich keine Frau,
    Säße ich schon längst im Bau.
    Dies war nicht der letzte Streich,
    Denn derselbe folgt sogleich.
    Du dir wohl im Klaren bist,
    Dass dies in zwei Wochen ist.«
    Wiebke brachte nicht die Kraft auf, das Video zu öffnen. Zitternd nahm sie den

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