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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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komm sofort her«, sagte sie nur. Dann legte sie auf und wählte die Nummer von Bergmüllers Büro. »Wir haben ihn«, teilte sie ihm mit. Aus ihrer Stimme klangen Erleichterung und Triumph gleichermaßen heraus. Von wegen »Niemals kriegt uns eine Frau«!
    * * *
    Die Szene hatte fatale Ähnlichkeit mit einer Invasion. Die Straßen waren abgesperrt. Im Gebäude auf der anderen Straßenseite hatten sich Scharfschützen positioniert. Bergmüller, Zielkow und Wiebke diskutierten mit dem Einsatzleiter des Sondereinsatzkommandos.
    »Haustür, Kellerausgang und Balkon sind abgesichert«, sagte der in seiner Einsatzkluft martialisch wirkende Beamte. »Die Zieleinheit liegt zwar im dritten Stock, aber man weiß ja nie. Ich schlage vor, dass wir mit einer Sprengladung die Wohnungstür öffnen, eine Blendgranate werfen und ihn dann festnehmen.«
    »Klingt gut«, meinte Bergmüller.
    Der SEK -Mann drückte auf die Taste seines Funkgerätes und raunte: »Zugriff!«
    Immer auf Eigensicherung bedacht, stürmten acht Polizisten in das Gebäude. Behände liefen Sie die Treppen hinauf. Einer befestigte den Plastiksprengstoff an der Tür. Mit einem lauten Knall war die Tür offen, ein anderer warf die Blendgranate, und die Männer stürmten die Wohnung.
    Die ganze Aktion war völlig unnötig gewesen.
    Auf dem Boden lag eine leblose Person, die mit leerem Blick an die Decke starrte. Sie lag in einer riesigen Blutlache, das Blut war schon geronnen. Auf der Stirn war ein Einschussloch zu sehen. Der Mann war tot.
    Wiebke ließ sich Latexhandschuhe geben. Sie drehte den Kopf des Toten ein wenig und erkannte sofort, dass es sich um den Mann auf dem Foto handelte. So sah sie also aus, die Bestie. Ein Mann Mitte fünfzig. Sein Gesicht hatte gar nichts Diabolisches. Er war durchschnittlich groß, schlank, hatte aber einen kleinen Bauchansatz. Seine Kleidung stammte, wie sie dem Etikett des Jacketts entnahm, von C&A. Mit einem Satz: Er hätte Versicherungen verkaufen können. Und doch lag vor ihr der Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach vier Frauen ermordet hatte und weitere drei hatte töten wollen. Wer war er? Warum war er tot?
    Ihr erster Gedanke war Selbstmord, was sie aber gar nicht erst aussprach, weil er dazu die Waffe in der Hand haben oder diese zumindest in unmittelbarer Nähe der Leiche liegen müsste. Keins von beidem war der Fall. Der Mann war umgebracht worden.
    Streicher erschien im Türrahmen. Er wirkte übermüdet, aber voller Tatendrang.
    »Ein Schuss aus allernächster Nähe«, urteilte er, nachdem er die Leiche von Markus Höhn genauer betrachtet hatte. »Ich schätze, aufgesetzt. Welches Kaliber, kann ich noch nicht sagen. Wirkt fast wie eine Hinrichtung.«
    Er prüfte die Körpertemperatur. »Todeszeitpunkt vor circa acht bis zwölf Stunden.«
    Da habe ich gerade mit Katharina Shkarupa gesprochen, dachte Wiebke, behielt das aber für sich. »Wie schnell kannst du beweisen, dass dieser Mann da unser Täter ist?«, fragte sie stattdessen.
    »Ich kann sofort einen Abgleich machen. Ich habe ja die Fingerabdrücke aus Köln und Philippsreut. Dauert circa eine Stunde.«
    »Mach das bitte.«
    Wiebke hatte sich in den letzten Tagen oft gefragt, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn sie den Täter, der sie so bloßgestellt, so lächerlich gemacht hatte, endlich erwischt hätten. Sie hatte diesen Triumph herbeigesehnt. Doch die Situation war vollkommen anders als erwartet. Ein toter Killer konnte ihr nicht mehr erklären, warum er sie so hasste und warum er ihretwegen vier Frauen bestialisch getötet hatte. Sie fühlte sich nicht als Heldin. In ihr war Leere.
    Bergmüller kam auf sie zu. »Sieh’s mal so«, sagte er, als habe er ihre Gedanken erraten. »Drei Frauen haben überlebt.«
    Wiebke blickte ihn überrascht an. »Damit haben wir aber leider rein gar nichts zu tun, Reinhard. Die Frauen haben überlebt, weil ein anderer, den wir nun ebenfalls suchen müssen, wollte, dass er starb. Wir haben gar nichts erreicht.«
    Bergmüller schwieg.
    Zwischenzeitlich waren die Kollegen der Spurensicherung eingetroffen und stellten die Beweise sicher.
    »Was machen wir nun?«, wollte sie von Bergmüller wissen.
    »Da fragst du den Falschen«, antwortete der überraschend. »Mein Job ist erledigt. Das ist von nun an wieder ganz allein dein Revier. Oder das vom Kollegen Franck. Je nachdem, wie du dich entscheidest.«
    Eigentlich hätte sie sich freuen sollen. Aber auch die wiedergewonnene Führungsposition löste keine positiven Gefühle

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