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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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im Obergeschoss. Streicher fuhr seinen PC hoch, räumte dann den Platz am Schreibtisch, und Wiebke checkte, welche Flüge von Hamburg nach Sydney am fraglichen Samstag in Betracht kamen. Dann telefonierte sie mit den Fluggesellschaften. Nach zwei Stunden hatte sie ihre Antwort.
    »Er saß im Flieger«, sagte sie erleichtert zu Streicher, der die ganze Zeit über zum Nichtstun verdammt gewesen war. »Quantas hat mir soeben bestätigt, dass Reinhard um vier Uhr dreiundzwanzig eingecheckt hat. Die Maschine startete um fünf Uhr fünfzehn. Direktflug nach Sydney. Das heißt, dass er schon um vier Uhr in der Früh am Flughafen gewesen sein muss. Um diese Zeit gab es noch keine Zeitung, und den Rest des Tages saß er im Flieger nach Sydney, wohin er Lena und Silke kaum hätte mitnehmen können. Er kann es also nicht gewesen sein.«
    »Dann ruf ihn an«, sagte Streicher.
    Wiebke blickte auf ihre Uhr. Es war Viertel vor elf, in Sydney also bald neunzehn Uhr. Das passte. Sie nahm ihr Handy aus der Handtasche und hatte ihn tatsächlich sofort am Apparat.
    Sie telefonierten sehr lange. Als das Gespräch beendet war, sagte sie zu Streicher: »Er kommt. Es dauert aber. Allein die Flugzeit beträgt fast einen Tag. Er kümmert sich jetzt sofort um das Ticket und schickt eine SMS , sobald er Genaueres weiß.«
    Eine Stunde später erfuhren sie, dass Bergmüller übermorgen, am Samstag um vierzehn Uhr zwanzig, in Hamburg landen würde. Er empfahl, bis dahin nichts zu unternehmen, um den Täter nicht zu warnen. Wiebke schrieb zurück: »Geht klar. Ich hole dich ab. Danke!«
    »Erzähl’s ihm bitte nicht«, sagte Wiebke leise und blickte Streicher fast flehentlich an.
    Er strich ihr väterlich über das Haar.
    »Versprochen«, sagte er.

FÜNFZEHN
    Sie hatten ihr Versprechen nicht halten können. Wiebke war wie Streicher der Meinung, dass derjenige, der »Max« getötet hatte, zwingend »Moritz« sein musste. Also hatten sie, während sie auf Bergmüllers Rückkehr warteten, eine Liste mit allen in Betracht kommenden Kollegen angefertigt und mit aller gebotenen Vorsicht überprüft, ob nicht einige von vorneherein als Täter ausschieden. Sämtliche Männer nämlich, die für den letzten Tatzeitraum von Samstagmorgen bis Dienstagabend ein wasserdichtes Alibi hatten. Dann hatten sie alle verfügbaren Informationen über die verbliebenen Kollegen zusammengesucht. Es waren einige.
    »Das ist aber nur eine Hypothese«, wandte Bergmüller ein. Sie saßen zu dritt in Streichers Partykeller, der provisorisch zum Büro umgestaltet worden war.
    »Du weißt so gut wie ich«, meinte Wiebke, »dass Polizeiarbeit immer mit einer Hypothese anfängt. Wir können ja schlecht vorsorglich alle männlichen Polizisten verhaften.«
    Bergmüller wirkte übernächtigt. Er rieb sich die Augen, schüttelte sich, als wollte er den Jetlag wie eine lästige Fliege vertreiben. Dann riss er sich sichtbar zusammen. Kein Wunder, dachte Wiebke. Es war jetzt kurz nach sechs. Seit einer Stunde saß er, nachdem sie ihn um kurz vor drei vom Hamburger Flughafen hierherkutschiert hatte, mit ihnen in diesem Partykeller. Und sie hatten nicht mal mehr eine Woche, um wenigstens den letzten Mord zu verhindern.
    »Ja, Wiebke. Du hast ja recht. Aber du weißt auch, wie leicht man mit Hypothesen danebenliegen kann. Ich gebe es ja ungern zu, aber mit der Einzeltäterthese habe ich schließlich ziemlich ins Klo gegriffen.«
    »Reinhard, du musst dir nichts vorwerfen«, meinte Wiebke.
    »So?«, fragte er. »Wie ist es denn bei dir? Machst du dir nicht manchmal Vorwürfe, dass einige Morde, wären wir effektiver gewesen, hätten verhindert werden können?«
    Aus Wiebkes Gesicht verschwand augenblicklich jede Farbe. Sie saß bleich da und wirkte um Jahre gealtert.
    »Das bringt doch nichts«, mischte sich Streicher ein. »Dadurch, dass wir uns die Versäumnisse der Vergangenheit um die Ohren hauen, fangen wir ihn auch nicht.«
    Wiebke warf Streicher einen dankbaren Blick zu. Dann begannen sie zu dritt, sich durch die zusammengetragenen Aktenberge der verbliebenen Verdächtigen zu wühlen.
    * * *
    Die Tassen hüpften bedenklich, als Bergmüller am Dienstag wie aus dem Nichts mit der Faust auf den Tisch haute. Wiebke und Streicher, die beide in Akten vertieft waren, zuckten vor Schreck zusammen.
    »Das ist doch scheiße, was wir hier machen«, sagte er wütend. »Das bringt doch alles nichts!«
    »Was bringt nichts?«, fragten Wiebke und Streicher unisono.
    »Wir fressen seit Tagen

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