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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Neues?«, wollte Bergmüller wissen.
    »Auf dem Dachboden haben wir einen relativ neuen Laptop gefunden. Die Kollegen haben ihn eingepackt und arbeiten wohl gerade daran, das Passwort zu knacken. Zielkow hat nach der Entdeckung auf stur geschaltet und verweigert jede weitere Aussage. Ich denke aber, dass wir ihn angesichts der erdrückenden Indizien bald entweder überführt oder zu einem Geständnis bewegt haben«, fasste Schürmann zusammen.
    »Was muss in einem Menschen vorgehen, der einerseits eine frauenhassende Bestie ist, andererseits aber ein völlig unauffälliges Leben führt? Ein Leben, das vor Spießigkeit nur so strotzt?«, fragte Wiebke unter Aufbringung ihrer letzten Kräfte. »Und was habe ich ihm bloß getan?«
    Schürmann zuckte nur mit den Schultern. Bergmüller blickte sie an und sagte: »Du hast es doch schon einmal erlebt. Ich gehe davon aus, dass in Zielkows Vergangenheit, wenn wir nur lange genug graben, prägende Erfahrungen zutage gefördert werden, die denen ähneln, mit denen du es in dem Fall vor zwei Jahren zu tun hattest. Ich tippe auf eine dominante Mutter. Wenn dann eine Konfliktbearbeitung fehlt und noch einige weitere psychische Anomalien hinzukommen, kann so ein Mensch verrückt werden. Er tötet genau genommen nicht seine Opfer. Sie sind Stellvertreter für die Mutter. Sein Frauenhass wird ihn auch dazu gebracht haben, dich vorzuführen, um sein angeschlagenes Selbstwertgefühl aufzupolieren.«
    Bergmüller holte Luft. Schürmann warf ein: »Danke für die Spekulation, Herr Kollege. Aber das ist nun definitiv mein Fall und meine Sorge. Ich danke Ihnen allen für Ihren Einsatz und möchte Sie die nächsten vier Wochen im Dienst nicht sehen. Für Sie, Herr Bergmüller, gilt das nur eingeschränkt. Sie müssten sich das Okay von Ihrem Dienstvorgesetzten holen. Ich habe dazu keine Kompetenz.«
    »Wie Sie wissen, bin ich eigentlich in Australien«, maulte Bergmüller, dem Schürmanns autoritäre Art offensichtlich überhaupt nicht passte.
    »Dann gute Erholung und einen schönen Abend«, sagte der und verabschiedete sich von den dreien mit einem kurzen, unverbindlichen Händedruck.
    Ja, dachte Wiebke. Genau so muss man es machen. Sachlich, kühl und ohne jede Emotion.
    Nachdem Schürmann gegangen war, bat Bergmüller: »Kannst du mir morgen einen Gefallen tun, Wiebke?«
    »Welchen?«
    »Ich muss erst noch zurück ins Hotel, im Netz die Flugverbindungen nach Australien checken. Ich bin aber sicher, dass ich irgendeine Maschine finden werde, die mich morgen von Hamburg wieder nach Sydney bringt. Kannst du mich zum Flughafen fahren?«
    »Das kann ja ich machen«, bot Streicher an.
    »Nein«, sagte Wiebke bestimmt. »Danke für das Angebot, Herbert. Man muss mich nicht mit Samthandschuhen anfassen. Natürlich fahre ich dich, Reinhard. Schick mir eine SMS , wann ich dich abholen soll.«
    »Danke dir. Ich hau jetzt ab. Ich bin platt wie eine Briefmarke«, antwortete Bergmüller und verabschiedete sich.
    »Sollen wir auch los, Wiebke?«, fragte Streicher.
    Wiebke seufzte. Sie wusste, dass Streicher es gut mit ihr meinte. »Herbert, vielen Dank. Aber ich muss zu mir selbst finden. Das kann ich am besten allein zu Hause. Glaube mir, ich bin nicht mehr selbstmordgefährdet. Es war eine Ausnahmesituation, mehr nicht. Lass mich bitte nach Hause fahren, bitte!«
    »Einverstanden«, antwortete Streicher. Wiebke spürte, dass ihn diese Entscheidung Kraft gekostet hatte und er sich sehr unsicher war, ob er das Richtige tat. »Aber unter zwei Bedingungen.«
    »Welche?«
    »Erstens rufst du morgens um acht, um zwölf, um sechzehn und um zwanzig Uhr bei mir an. Bleibt ein Anruf aus, komme ich vorbei und hole dich.«
    Wiebke nickte. »Einverstanden. Und zweitens?«
    »Zweitens wirst du eine Therapie bei einem Psychologen meiner Wahl machen.«
    »Und wenn ich ablehne?«
    »Dann lasse ich dich wegen akuter Suizidgefahr ins nächste Landeskrankenhaus einliefern.«
    »Das ist Erpressung«, sagte sie, weil sie spürte, dass Streicher das nicht einfach so dahingesagt hatte.
    »Nenn es, wie du willst. So und nicht anders.«
    »Einverstanden.«
    Sie drückten sich zum Abschied. Wiebke fuhr in ihr Haus, trank einen Schluck Wein und machte sich bettfertig. Bergmüller informierte sie darüber, dass sie ihn morgen früh um halb neun abholen sollte. Sein Flieger würde um zwölf Uhr zehn starten.
    Es wurde Zeit zu schlafen. Sie legte sich hin, und die bleierne Müdigkeit war stärker als die vielen

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