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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Gedanken.

SECHZEHN
    Wiebke saß mit einer Schüssel Cornflakes mit Milch in der Hand auf dem Sofa und ließ sich durch sinnentleertes Trash- TV berieseln.
    Es war halb zehn. Sie hatte Streicher pünktlich um acht angerufen, wie an jedem der vergangenen fünf Tage. Der nächste Kontrollanruf musste erst in zweieinhalb Stunden erfolgen.
    Sie war ausgeruht, hatte Abstand gewonnen, konnte aber den inneren Druck einfach nicht abschütteln. Sie hatte Angst. Angst vor dem heutigen Tag, für den Moritz den siebten Streich angekündigt hatte. Diese Angst war jedoch irrational. Zielkow war fraglos ihr Täter, hatte Schürmann ihr in seiner knappen, sachlichen Art mitgeteilt. Die Indizien seien eindeutig: Der bei Zielkow sichergestellte Laptop beinhaltete die fraglichen Filme, die Dateien mit den Gedichten und noch weitere belastende Informationen. Der Laptop verfügte auch über ein Programm, mit dem Zielkow andere Rechner manipulieren konnte.
    Da die sichergestellte Waffe ebenfalls zweifelsfrei diejenige war, mit der man Schmidt-Geerling getötet hatte, gab es keinen vernünftigen Zweifel mehr an Zielkows Täterschaft. Schürmann war sich mehr als sicher, dass die Beweislage auch ohne ein Geständnis für eine Verurteilung reichen würde. Derzeit sei einer der renommiertesten Psychiater damit beauftragt, ein Schuldfähigkeitsgutachten zu erstellen.
    Es würde keinen siebten Streich geben. Trotzdem hatte Wiebke Angst.
    Letzten Freitag hatte sie Bergmüller nach Hamburg zum Flughafen gebracht. Sie hatten während der Fahrt kaum gesprochen. Zu tief saß wohl auch bei ihm die Enttäuschung darüber, dass sie im Ergebnis nichts hatten bewegen können: Täter gestellt, Opfer tot.
    Am Tag darauf hatte sie dann auch noch einen weiteren Rückschlag wegstecken müssen. Sie hatte allen Mut zusammengenommen und Randolph angerufen. Sie wollte Jonas wiedersehen und versuchen, mit Günter zu sprechen. Doch die drei waren in ein Nordseebad in der Nähe von Cuxhaven gefahren. Was bildete sie sich auch ein? Warum sollten die beiden Väter wider Willen däumchendrehend darauf warten, dass es ihr endlich gelang, den Fall zu lösen, der ihr aufs Auge gedrückt worden war? Randolph, Günter und Jonas würden am kommenden Wochenende zurück sein. Sobald sie angekommen wären, würde er sich melden, hatte Randolph versprochen.
    Wiebke hörte den Briefkasten klappern, stand auf, öffnete die Haustür, grüßte den Postboten und entnahm die Post. Es war das Übliche. Die Rechnung vom Heizungsbauer für die Abgasüberprüfung, eine Mitteilung des Kreises, dass für Jonas bald eine Vorsorgeuntersuchung anstand, ein paar Werbebriefe und – Wiebke lächelte – eine Postkarte.
    »Liebe Wiebke«, las sie. »Der Flug hat gut geklappt. Hier in Sydney angekommen, hoffe ich, wieder die Kräfte zu sammeln, die ich in den letzten Wochen verloren habe. Ich wünsche dir dasselbe und freue mich, dich irgendwann wiederzusehen. Dein Reinhard.«
    Sie legte die Karte auf den Wohnzimmertisch.
    Dann schellte es. Wiebke öffnete die Haustür und sah einen DHL -Mitarbeiter. Sein Wagen parkte direkt vor dem Haus. Direkt dahinter sah sie den Mercedes-Vito-Kastenwagen eines Hausgerätehändlers.
    »Ich habe eine Dokumentensendung für Sie«, sagte der Mann, überreichte Wiebke einen Umschlag und bat sie, den Erhalt der Sendung zu quittieren. Ohne ein weiteres Wort unterschrieb sie das elektronische Formular, drehte sich um und ging zurück ins Haus. Sie öffnete den Umschlag. Er enthielt nur eine DVD . Ihr Herz raste, ihr Blutdruck stieg.
    Zitternd legte sie den Datenträger in das Abspielgerät. Es ertönte ein hämisches Lachen. Ihr Blut gefror. Dann spielte der Fernseher in einer Endlosschleife einen Text. Schon bei der Überschrift waren ihr schlagartig drei Dinge sonnenklar: Zielkow war erstens nicht »Moritz«, zweitens würde es einen siebten Streich geben, und drittens sollte sie das Opfer sein.
    Sie konnte keine weiteren Schlüsse ziehen, sondern schrie kurz, aber laut auf, weil wie aus dem Nichts ein Mann, den sie nicht kannte, im Zimmer stand. Wie ein Panther sprang er sie an und hielt ihr etwas vor die Nase. Chloroform, dachte Wiebke noch, dann wurde ihr schwarz vor Augen.
    * * *
    »Wie das Kaninchen vor der Schlange«, murmelte der Mann, bugsierte Wiebkes leblosen Körper auf das Sofa und verabreichte ihr ein Sedativum. Nicht viel, aber doch so viel, dass sie bis zur Ostsee tief und fest schlafen würde.
    Dann zog er sich um und war binnen zehn Minuten als

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