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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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ist, es ist Dr. Clay.
    Wir setzen uns auf die Veranda, er verspricht, mich zu warnen, wenn Bienen kommen. Menschen und Bienen sollten sich lieber nur zuwinken, aber nicht berühren. Und man soll keine Hunde streicheln, außer der Mensch von dem Hund sagt, es ist in Ordnung, nicht über die Straße laufen und niemand an die Scham fassen außer sich selbst, aber nur, wenn man allein ist. Dann gibt es Sonderfälle, zum Beispiel darf die Polizei mit Pistolen schießen, aber nur auf böse Buben. Es gibt so viele Regeln, dass sie gar nicht alle in meinen Kopf passen, deshalb machen wir eine Liste mit Dr. Clays ganz schwerem goldenen Stift. Und dann noch eine Liste mit den ganzen neuen Sachen, zum Beispiel Hanteln und Kartoffelchips und Vögel. »Ist das nicht aufregend, dass du die jetzt alle in echt sehen kannst und nicht nur im Fernsehen?«, fragt er.
    »Ja, bloß hat mich im Fernseher nie was gestochen.«
    »Da ist was dran«, sagt Dr. Clay und nickt. »Das Menschengeschlecht erträgt nicht sehr viel Wirklichkeit.«
    »Ist das wieder ein Gedicht?«
    »Wie hast du das denn erraten?«
    »Du machst dann immer so eine komische Stimme«, erkläre ich ihm. »Was ist das Menschengeschlecht?«
    »Die menschliche Rasse, wir alle.«
    »Ich auch?«
    »Aber natürlich, du bist auch einer von uns.«
    »Und Ma.«
    Dr. Clay nickt. »Die auch.«
    Aber was ich eigentlich gemeint habe, war, vielleicht bin ich ja ein Mensch, aber gleichzeitig bin ich auch ein Ich-und-Ma. Ich weiß kein Wort für uns beide. Raumer vielleicht? »Holt sie mich bald ab?«
    »Sobald sie nur kann«, sagt er. »Würdest du lieber in der Klinik wohnen statt hier bei deiner Großmutter?«
    »Zusammen mit Ma in Raum Nummer sieben?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein, sie ist in dem anderen Flügel, sie muss mal ein Weilchen für sich sein.«
    Ich glaube, da vertut er sich. Wenn ich krank wäre, dann bräuchte ich Ma sogar noch dringender.
    »Aber sie arbeitet ganz hart an sich, damit sie wieder gesund wird«, sagt er mir.
    Ich dachte, Leute sind einfach nur krank oder gesund, ich wusste nicht, dass das Arbeit ist.
    Zum Abschied klatschen ich und Dr. Clay uns ab, high five, low five und back five.
    Als ich auf dem Klo bin, höre ich ihn mit Grandma auf der Veranda. Ihre Stimme ist doppelt so hoch wie seine. »Du lieber Himmel, es war doch weiter nichts als ein leichter Sonnenbrand und ein Bienenstich«, sagt sie. »Ich habe zwei Kinder großgezogen, also kommen Sie mir bitte nicht mit Ihrem Mindestmaß an Fürsorge .«
     
     
     
    Nachts reden eine Million winziger Computer miteinander über mich. Ma ist den Bohnenstängel rauf, und ich bin unten auf der Erde und schüttele und schüttele ihn, damit sie runterfällt …
    Nein. Das war nur geträumt.
    »Ich hatte gerade einen Geistesblitz«, sagt Grandma in mein Ohr, sie lehnt sich runter, ihre untere Hälfte ist noch in ihrem Bett. »Wir können doch vor dem Frühstück zum Spielplatz fahren, dann sind da noch gar keine anderen Kinder.«
    Unsere Schatten sind ganz lang, wie auseinandergezogen. Ich wedele mit meinen Riesenfäusten. Grandma setzt sich beinahe auf eine Bank, aber da ist Nass drauf, deshalb lehnt sie sich anstatt gegen den Zaun. Auf allem ist ein bisschen Nass, sie sagt, das ist Tau, der sieht aus wie Regen, aber er kommt nicht aus dem Himmel, es ist so was wie Schweiß, und der passiert in der Nacht. Ich male ein Gesicht auf die Rutsche. »Es macht nichts, wenn deine Sachen nass werden. Nur zu.«
    »Mir ist aber kalt.«
    Es gibt ein Teil, da ist lauter Sand drin, Grandma sagt, ich soll mich da reinsetzen und damit spielen.
    »Was denn?«
    »Häh?«
    »Was spielen?«
    »Keine Ahnung, buddeln oder schaufeln oder so.«
    Ich berühre ihn, aber er ist kratzig, den will ich nicht überall auf mir haben.
    »Und was ist mit dem Klettergerüst oder den Schaukeln?«, fragt Grandma.
    »Machst du auch mit?«
    Sie lacht ein bisschen und sagt, sie würde wahrscheinlich was kaputt machen.
    »Warum würdest du …«
    »Oh, nicht mit Absicht, nur weil ich so schwer bin.«
    Ich klettere ein paar Stufen rauf, wie ein Junge und gar nicht wie ein Affe, sie sind aus Eisen und haben so raue orangene Teile, die heißen Rost, und die Geländer erfrieren meine Hände. Am Ende kommt ein kleines Haus wie für Elfen, ich sitze am Tisch, und das Dach ist direkt über meinem Kopf, es ist rot, und der Tisch ist blau.
    »Huhuuu.«
    Ich zucke zusammen, das ist Grandma, sie winkt durch das Fenster. Dann geht sie auf die andere

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