Raum
es macht ein Zischen und kriegt wieder eine große Flamme, deshalb lasse ich es auf den Ofen fallen. Die kleine Flamme wird beinahe unsichtbar, sie knabbert an dem Streichholz entlang, bis es ganz schwarz ist, und dann geht ein kleiner Rauch hoch wie ein silbriges Bändchen. Der Geruch ist wie Zauberei. Ich nehme noch ein Streichholz aus der Schachtel, zünde das Ende in der Flamme an, und diesmal halte ich es fest, trotzdem es zischt. Das ist meine eigene kleine Flamme, und ich kann sie mitnehmen, wohin ich will. Ich wedele sie im Kreis. Ich glaube schon, dass sie ausgegangen ist, aber da kommt sie wieder. Die Flamme wird am Streichholz entlang immer größer und durcheinanderer, eigentlich sind es zwei Flammen, und das Holz dazwischen ist eine kleine rote Linie …
»He!«
Ich zucke zusammen, es ist Stiefpa. Ich habe das Streichholz nicht mehr.
Er tritt mir auf den Fuß.
Ich jaule.
»Es war auf deiner Socke.« Er zeigt mir das Streichholz, es ist ganz verbogen, dann reibt er auf meiner Socke, wo ein Stück schwarz ist. »Hat dir deine Ma denn nie beigebracht, dass man nicht mit Feuer spielt?«
»Gab es nicht.«
»Was gab es nicht?«
»Feuer.«
Er starrt mich an. »Euer Herd war wohl elektrisch. Hätte ich auch selbst drauf kommen können.«
»Was ist los?« Grandma kommt rein.
»Ich bring Jack nur gerade ein bisschen die Küchengeräte bei«, sagt Stiefpa und rührt in den Nudeln. Er hält ein Ding hoch und guckt mich an.
»Reibe«, fällt mir wieder ein.
»Und das hier?«
»Knoblauchquetsche.«
»Knoblauch presse . Viel brutaler als quetschen.« Er grinst mich an. Er hat Grandma nichts von dem Streichholz gesagt, irgendwie ist das lügen, aber dass ich keinen Ärger kriege, ist ein guter Grund. Er hält noch was hoch.
»Noch eine Reibe?«
»Zestenreißer. Und das hier?«
»Ähm … ein Quirl.«
Stiefpa lässt eine lange Nudel in der Luft baumeln und schlürft an ihr. »Mein älterer Bruder hat mit drei Jahren aus Versehen mal einen Topf Reis über sich geschüttet, danach war sein Arm so knusprig wie ein Kartoffelchip.«
»Au ja, die habe ich schon mal im Fernseher gesehen.«
Grandma starrt mich an. »Soll das heißen, du hast noch nie Kartoffelchips gegessen?« Dann steht sie auf und steigt auf die kleinen Stufen und schiebt Sachen in einem Schränkchen hin und her.
»Essen fertig in zwei Minuten«, sagt Stiefpa.
»Ach komm, eine Handvoll schadet doch nichts.« Grandma klettert mit einer verbeulten Tüte wieder runter und macht sie auf.
Die Chips haben überall Linien drauf, ich nehme einen raus und beiße die Ecke ab. Dann sage ich: »Nein danke«, und tue ihn wieder in die Tüte.
Stiefpa lacht. Ich weiß nicht, was so witzig ist. »Der Bursche hebt sich seinen Appetit eben für meine Tagliatelle Carbonara auf.«
»Kann ich lieber die Haut sehen?«
»Was für Haut?«, fragt Grandma.
»Die von dem Bruder.
»Ach, der wohnt aber in Mexiko. Das ist sozusagen dein Großonkel.«
Stiefpa wirft das Wasser ins Becken, und es macht eine große Wolke aus nasser Luft.
»Warum ist er groß?«
»Es bedeutet einfach nur, dass er Leos Bruder ist. Mit unseren ganzen Verwandten bist du jetzt auch verwandt«, sagt Grandma. »Alles, was uns gehört, gehört auch dir.«
»Wie Lego«, sagt Stiefpa.
»Häh?«, sagt sie.
»So wie Lego. Aus lauter Teilen, die man zusammensteckt, baut man eine Familie.«
»Das habe ich auch im Fernseher gesehen«, erkläre ich.
Grandma starrt mich schon wieder an. »Ein Kind, das ohne Lego groß wird«, sagt sie zu Stiefpa. »Das kann ich mir noch nicht mal vorstellen.«
»Ich wette, es gibt viele Milliarden Kinder auf der Welt, die irgendwie ohne klarkommen«, sagt Stiefpa.
»Da hast du wahrscheinlich recht.« Sie sieht ganz durcheinander aus. »Aber bestimmt haben wir unten im Keller noch eine Kiste herumstehen …«
Stiefpa macht mit einer Hand ein Ei auf und flutscht es über die Nudeln.
»Essen ist fertig.«
Ich fahre ganz lange auf dem Fahrrad, das nicht wegfährt, wenn ich mich ganz lang mache, komme ich mit den Zehen an die Pedale. Ich zoome Tausende von Stunden darauf, damit meine Beine superstark werden und ich zu Ma zurücklaufen und sie noch mal retten kann. Ich lege mich auf die blauen Matten, meine Beine sind müde. Ich hebe die Hanteln. Ich lege eine auf mein Bäuchlein, es gefällt mir, wie sie mich runterdrückt, damit ich nicht von der Welt runterfalle, die dreht sich nämlich.
Bimm-bamm. Grandma ruft, weil Besuch für mich da
Weitere Kostenlose Bücher