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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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ihr T-Shirt hoch, um was zu trinken. Dafür muss ich aufhören, mir die Nase zu wischen. Die Linke ist gut, aber es ist nicht viel drin.
    Später probiere ich meine neue Jeans an. Sie fällt immer wieder runter.
    Ma zieht an einem Faden, der rausguckt.
    »Nicht.«
    »Er war sowieso schon lose. So ein billiges …« Sie sagt nicht, was.
    »Baumwolle«, erkläre ich ihr. »Daraus sind Jeans nämlich gemacht.« Ich lege den Faden in Basteleimer im Kommode.
    Ma kniet sich hin und holt Nähzeug. Sie macht ein paar Nähte an der Hüfte, und danach bleibt meine Jeans oben.
    Heute Morgen haben wir eine Menge zu tun. Zuerst nehmen wir Piratenschiff auseinander, den wir letzte Woche gemacht haben, und basteln daraus Panzer. Ballon ist der Fahrer. Früher war er mal so groß wie Mas Kopf und dick und rosa, aber jetzt ist er nur noch so groß wie meine Faust und rot und ganz schrumpelig. Jedes Mal, wenn der Erste im Monat passiert, blasen wir einen neuen auf, also kriegt Ballon erst ein Schwesterchen, wenn April ist. Ma spielt auch mit Panzer, aber nicht lange. Sie verliert schnell die Lust auf Sachen, das kommt vom Großsein.
    Montag ist Waschtag, wir nehmen die Socken, die Unterwäsche, meine graue Hose, auf die Ketchup gespritzt ist, die Laken und die Trockentücher mit in Wanne und quetschen den ganzen Dreck raus. Zum Trocknen macht Ma Thermostat total heiß, sie holt Trockenständer neben Türe hervor und klappt ihn auf, und ich sage ihm, er muss stark sein. Ich würde gern auf ihm reiten so wie früher, als ich noch klein war, aber jetzt bin ich zu riesig und breche ihm vielleicht den Rücken. Es wäre bestimmt cool, wenn man manchmal kleiner würde und dann wieder größer, so wie Alice. Als wir aus allen Sachen das Wasser rausverdreht und sie aufgehängt haben, müssen Ma und ich uns die T-Shirts runterreißen und uns abwechselnd in Kühli schieben, damit wir abkühlen.
    Das Mittagessen ist Bohnensalat, mein zweitschlimmstes Lieblingsgericht. Nach dem Mittagsschläfchen spielen wir jeden Tag Geschrei, außer samstags und sonntags. Wir räuspern uns und steigen auf Tisch, damit wir näher an Oberlicht sind. Wir halten uns an den Händen fest, damit wir nicht runterfallen. Dann sagen wir: »Auf die Plätze, fertig, los«, machen unsere Zähne ganz weit auf und rufen schreien brüllen kreischen gellen schmettern grölen so laut, wie wir können. Heute bin ich am lautesten, weil meine Lungen sich vom Fünfsein ausdehnen.
    Dann tun wir die Finger auf die Lippen und machen Psst . Einmal habe ich Ma gefragt, was wir hören wollen, und sie hat gesagt, nur für den Fall, man weiß ja nie.
    Dann mache ich Pausbilder von einer Gabel und vom Kamm und den Deckeln und von allen Seiten meiner Jeans. Das Schreibpapier ist für Pausbilder am meisten glatt, aber Klopapier ist gut für ein Bild, das immer weitergeht, zum Beispiel male ich heute mich mit einem Auto und einem Papagei und einem Leguan und einem Waschbär und dem Weihnachtsmann und einer Ameise und Lucky und mit meinen ganzen Fernseher-Freunden hintereinander, und ich bin König Jack. Als ich fertig bin, rolle ich es wieder auf, damit wir es für unsere Popos benutzen können. Ich nehme ein neues Stück von der nächsten Rolle für einen Brief an Dora, dafür muss ich den roten Stift mit Stumpfmesser spitzen. Ich packe den Stift ganz fest, weil er so kurz ist, dass er fast schon weg ist. Ich schreibe perfekt, nur manchmal drehen sich meine Buchstaben von hinten nach vorne. Vorgestern bin ich fünf, du kannst das letzte Stück von meinem Kuchen haben, aber es gibt keine Kerzen, alles Gute, Jack. Nur beim von reißt es ein bisschen. »Wann kriegt sie ihn?«
    »Mal überlegen«, sagt Ma. »Ich nehme an, er braucht ein paar Stunden bis zum Meer, das spült ihn dann an den Strand …«
    Sie hört sich komisch an, weil sie wegen Schlimmerzahn einen Eiswürfel lutscht. Strände und Meer sind Fernseher, aber ich glaube, wenn wir einen Brief dahin schicken, dann werden sie einen Moment lang in echt. Die Kacka sinkt runter, und der Brief treibt auf den Wellen. »Wer findet ihn? Diego?«
    »Möglich. Und dann bringt er ihn seiner Cousine Dora …«
    »In seinem Safari-Jeep, wrummm wrummm , mitten durch den Dschungel.«
    »Also würde ich schätzen, morgen früh. Spätestens zum Mittagessen.«
    Der Eiswürfel macht jetzt nur noch eine kleine Beule in Mas Gesicht. »Zeig mal.«
    Sie streckt ihn auf der Zunge raus.
    »Ich glaube, ich habe auch einen Schlimmerzahn.«
    Ma schreit: »Jack,

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