Raumfahrergarn
beiläufig, auch wenn sie einen anderen Grund für ihre Frage hatte.
»Oh, ich glaube, wir können sie bald freilassen. Wenn wir die Parasiten losgeworden sind, wird um die Wunde sauberes, gesundes Gewebe wachsen. Ich möchte sie nicht mehr lang in einem Pferch halten, sonst wird sie zahm und gewöhnt sich daran, daß sie gefüttert wird, statt sich selbst ernähren zu müssen.«
»Mabel und zahm?« Lunzie rollte die Augen, als sie sich daran erinnerte, daß sämtliche Schwerweltler erforderlich gewesen waren, um das Tier für den ersten Eingriff zu fesseln.
»Eine seltsame Verletzung«, fuhr Varian fort und runzelte die Stirn. »Alle erwachsenen Tiere ihrer Herde hatten ähnliche Bißspuren an den Keulen. Das deutet darauf hin, daß ihr Jäger nicht tötet.« Seine Stirnfalten wurden tiefer. »Und das wäre nun wirklich ein eigenartiges Verhalten.«
»Ist Ihnen zufälligerweise die Reaktion der Schwerweltler aufgefallen?«
Varian sah Lunzie für einige Sekunden nachdenklich an. »Eigentlich nicht, aber ich hatte genug damit zu tun, mich vor Mabels Schwanz, Beinen und Zähnen in Acht zu nehmen. Warum? Was haben Sie bemerkt?«
»Sie haben so …« – Lunzie machte eine Pause und versuchte, das richtige Adjektiv zu finden – »so hungrig ausgesehen.«
»Hören Sie schon auf, Lunzie!«
»Ich mache keine Scherze, Varian. Sie haben hungrig ausgesehen, als Sie das nackte rote Fleisch sahen. Sie haben sich nicht geekelt. Sie waren fasziniert. Tardma hat sogar gesabbert.« Lunzie wurde schlecht, wenn sie sich daran erinnerte.
»Es hat immer Gerüchte gegeben, daß die Schwerweltler auf ihren Heimatplaneten Fleisch essen«, sagte Varian nachdenklich und fuhr angewidert zusammen. »Aber diese Schwerweltler haben immer in FES-Mannschaften gedient. Sie kennen die Vorschriften.«
»Es ist kein Gerücht, Varian. Auf ihren Heimatwelten essen sie tatsächlich tierische Proteine«, erwiderte Lunzie und erinnerte sich an ein langes, ernstes Gespräch mit Zebara. »Dort leben sie in einer sehr primitiven Umwelt unter Raubtieren, die ständig auf der Jagd sind. Das führt zu einem Zustand, den man als ›Hinterwäldler-Syndrom‹ bezeichnet hat.« Sie seufzte, nahm mit der jungen Expeditionsleiterin aber Blickkontakt auf. »Und ethnische Zwänge können selbst die zivilisierteste Persönlichkeit zu einem Rückfall verleiten, wenn ein geeigneter Anreiz vorliegt.«
»Experimentieren Sie deshalb dauernd, um die Qualität der verfügbaren Nahrungsmittel zu verbessern?« Lunzie nickte. »Machen Sie weiter mit der guten Arbeit. Das gestrige Abendessen war ziemlich schmackhaft. Ich werde ein Auge auf drohende Rückfälle haben.«
* * *
Einige Tage später betrat Lunzie das Shuttle-Labor, wo Trizein gerade eine pflanzliche Proteinmasse mit einer auf der ARCT-10 produzierten Nußpaste verrührte. Sie tauchten einen Finger in das Gemenge und kostete nachdenklich.
»Wir kommen der Sache schon näher, aber wissen Sie, Tri, wir sind noch keine richtigen Forscher. Ich bin irgendwie enttäuscht.«
Trizein blickte bestürzt auf. »Ich glaube, wir haben in der begrenzten Zeit, die uns für die vielen Analysen und Untersuchungen zur Verfügung stand, eine Menge erreicht. Wir sind die erste Mannschaft auf diesem Planeten. Wieviel können wir schon erforschen?«
Lunzie versuchte nicht mehr, ihr Grinsen zu unterdrücken. »Wir sind noch keine richtigen Forscher, solange wir aus einheimischen Produkten nichts Berauschendes gebraut haben.«
Trizein blinzelte und war völlig verdattert.
»Ein berauschendes Getränk, Trizein. Schnaps, Fusel, Spirituosen, Alkohol. Haben Sie festgestellt, ob es hier etwas gibt, das genug Zucker enthält und sich ohne giftige Nebenerzeugnisse vergären läßt? Ich glaube, wie könnten ein chemisches Entspannungsmittel gebrauchen. Es würde uns allen gut tun.«
Trizein glotzte sie kurzsichtig an, und ein Grinsen umspielte seine Lippen. »Ich habe tatsächlich etwas gefunden. Es wurde von einer Sammelexpedition mitgebracht, die angegriffen wurde. Ich habe eine Probe verarbeitet. Ich glaube, es ist sehr gut, aber niemand will’s probieren. Wir werden einen Destillierapparat brauchen.«
»Den können wir bauen.« Lunzie grinste. »Ich habe Ihr Entgegenkommen erwartet, Tri, deshalb habe ich die nötigen Bauteile schon aus dem Lager geholt. Ich dachte mir, Sie würden gern an diesem lohnenden Projekt zur Anhebung der Mannschaftsmoral teilnehmen.«
»Die Moral ist ja so wichtig«, pflichtete Trizein ihr
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