Raumfahrergarn
eines Technikers. »Schon Hunderte Jahre, bevor es uns gab, sind Planeten ausgeplündert worden. Wenn Sie jemanden beschuldigen wollen, dann beschuldigen Sie die Anderen. Sie sind verantwortlich für die toten Welten. Nicht wir.« Der Schwerweltler sah aus zwei Meter zehn Höhe finster auf den Mann herab und warf auch Lunzie und Satia verächtliche Blicke zu. Lunzie wich vor ihm zurück. Die Leute gingen auseinander, als sie bemerkten, daß sie einen Schwerweltler unter sich hatten. Keiner der Nörgler wollte über Phoenix mit einem der menschlichen Schwergewichte persönlich diskutieren.
Die Anderen. Eine mysteriöse Macht in der Galaxis. Niemand wußte, wer sie waren, ob tatsächlich eine Rasse von Anderen und keine natürlichen Katastrophen diese Planeten zerstört hatten. Lunzie spürte plötzlich etwas Kaltes zwischen den Schulterblättern, als ob sie jemand beobachtete. Sie drehte sich um. Zu ihrer Überraschung sah sie den Thek, der sie gerettet hatte, auf der anderen Seite des Korridors warten. Er hatte keine Gesichtszüge, kein Ausdrucksvermögen, aber sie fühlte sich von ihm angezogen. Sie spürte, daß er mit ihr reden wollte.
»Muuuuuuutttt ggeeehhhhaaaabbbbttttt … üüübb-eeeerrrrrleeebbbttt«, sagte er, als sie näher kam.
»Mut gehabt? Überlebt? Was soll das heißen?« wollte sie wissen, aber die steinerne Pyramide sagte nichts mehr. Sie glitt langsam davon. Lunzie wäre ihr am liebsten nachgelaufen und hätte sie gefragt, was diese rätselhafte Bemerkung zu bedeuten habe. Thek waren dafür bekannt, daß sie kein Wort zuviel sagten, vor allem nicht, wenn sie so bedeutungslosen Wesen wie Menschen etwas erklären wollten.
»Ich nehme an, das sollte eine Aufmunterung sein«, sagte Lunzie schließlich. »Schließlich hat er mir das Leben gerettet, in dem er den jungen Bergmann zu meiner Kapsel führte. Aber warum, in der Galaxis, hat er mich nicht früher gerettet, wenn er wußte, daß ich dort lag?«
In dem Zimmer, das man ihr zuwies, machte Lunzie es sich in einem tiefen, üppig gepolsterten Stuhl vor dem Computermonitor bequem. Sie warf gelegentlich einen Blick in die Schlafkoje, die mit frischem, angenehm duftendem Bettzeug zurechtgemacht war, hielt sich aber von ihr fern wie von einem gefürchteten Feind. Lunzie war nicht im mindesten schläfrig, und sie hatte immer noch die nagende Furcht im Hinterkopf, daß sie nie wieder aufwachen würde, wenn sie das Bewußtsein verlor.
Es war besser, wenn sie das Gehirn mit nützlichen Informationen fütterte. Nachdem sie diverse Gebrauchsanweisungen überflogen hatte, ging sie systematisch die medizinischen Zeitschriften in der Descartes-Bibliothek durch. Sie legte eine Datenbank mit allen Artikeln über neue Themen an, die sie lesen wollte. Während sie darüber nachgrübelte, was sie auswählen sollte, fühlte sie sich mehr und mehr verloren. Ihr Fachgebiet hatte sich weit über den Kenntnisstand ihrer Ausbildungsjahre hinaus entwickelt.
Wie versprochen setzte sich Stev Banus mit ihr zusammen, um zu besprechen, wieviel Descartes ihr schuldete. Es kam eine stattliche Summe zusammen, die weit über eine Million betrug. Er empfahl ihr, den Betrag anzunehmen und wieder zur Schule zu gehen. Stev erklärte Lunzie, daß auf Descartes immer ein Posten frei sei, wenn sie ihn annehmen wollte. Er war der Überzeugung, daß Lunzie auch ohne eine Ausbildung auf neustem Stand eine Bereicherung seines Personals sein würde. Wenn sie einige Auffrischungskurse hinter sich gebracht hatte, konnte sie möglicherweise zur Abteilungsleiterin unter Stevs Verwaltung befördert werden.
»Wir können Ihnen die verlorenen Jahre nicht zurückgeben«, sagte er, »aber wir können versuchen, Sie hier und jetzt glücklich zu machen.«
Lunzie fühlte sich geschmeichelt, aber sie wußte nicht recht, was sie tun sollte. Es war ihr zuwider, daß die Umstände ihr Leben auf eine so brutale Weise unterbrochen hatten. Sie mußte erst mit ihren Gefühlen ins Reine kommen, bevor sie eine Entscheidung treffen konnte. Stevs Vorschlag, sich weiterzubilden, klang vernünftig, aber Lunzie konnte nichts in Angriff nehmen, ehe sie erfahren hatte, was mit Fiona geschehen war. Sie wandte sich wieder der Datei mit den medizinischen Artikeln zu und versuchte ihre Zweifel zu verdrängen.
drittes kapitel
»Haben Sie gut geschlafen?« fragte Satia ihre neue Freundin Lunzie am nächsten Morgen. Die Ärztin beugte sich durch die Tür zu Lunzies Kabine und erweckte mit einem Winken ihre
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