Raumfahrergarn
vergangen. Ich fürchte, Ihr ID-Armband und die Dokumente werden es bestätigen«, sagte die Registratorin voller Mitgefühl. »Wenn Sie wünschen, werde ich die Dateien mit einer Notiz versehen, die auf Ihr Schicksal und Ihr physisches Alter hinweist.«
Lunzie hob die Hand. »Nein, danke. So eitel bin ich nicht. Wenn es keine Verwirrung stiftet, würde ich gern ohne eine Fußnote leben. Es gibt aber etwas, wobei Sie mir behilflich sein könnten. Welche Unterkünfte bietet die Universität ihren Studenten? Ich suche nach einer möglichst preisgünstigen Unterkunft, die nur über Kommunikationseinrichtungen, einen Zugriff auf die Bibliothek und Lagerraum verfügen muß. Ich wäre sogar bereit, die sanitären Einrichtungen zu teilen. Ich habe wenig persönlichen Besitz, und ich komme gut mit anderen Leuten aus.«
Die Registratorin schien verwirrt. »Ich hatte angenommen … äh … Sie mieten sich ein Apartment oder eine Privatwohnung …«
»Unglücklicherweise nicht. Ich muß soviel Kapital wie möglich für eine Privatangelegenheit aufsparen. Ich verzichte auf alles, was nicht unbedingt nötig ist.«
Offensichtlich wurde die Sekretärin in ihrem Gefühl für die Würde und Fähigkeiten ehemaliger Studenten von Astris Alexandria durch Lunzies Verhalten herausgefordert. Sie war zu lässig gekleidet, achtete zu wenig auf sich. Ihre einzigen Gepäckstücke waren die beiden kleinen und schäbigen Kleidersäcke aus synthetischem Gewebe, die sie über die Rückenlehne des üppig gepolsterten Bürostuhls gehängt hatte, in dem sie saß. Das sah einer ehemaligen Absolventin dieser Eliteuniversität gar nicht ähnlich.
Lunzie war froh, daß sie ihre Koffer bei Vakuumtemperaturen im Lagerraum der Plattform untergebracht hatte, wo weder Witterung noch Parasiten den wertvollen Naturfasern etwas anhaben konnten. Es war ihr gleichgültig, welches Auftreten die Universität von ihr erwartete. Jetzt, da sie über ihre Ziele Klarheit gewonnen hatte, konnte sie ihr Leben wieder selbst bestimmen, so wie sie es immer getan hatte. Sie hatte nichts gegen Einfachheit. Sie bevorzugte eine karge Umgebung. Auf der Plattform Descartes hatte sie sich, so freundlich auch alle mit ihr umgegangen waren, hilflos gefühlt. Hier dagegen bewegte sie sich auf vertrautem Gelände. Hier wußte sie genau, wieviel Macht die Autoritäten hatten und was nur leere Einschüchterungsversuche waren. Sie behielt einen neutralen Gesichtsausdruck bei und wartete geduldig.
»Also gut«, sagte die Frau schließlich. »Wir haben da einen Viererschlafsaal, der zur Zeit nur von drei Webern bewohnt wird. Dann ein Doppelzimmer, in dem bald etwas frei wird. Der Mieter macht gerade seinen Abschluß und wird das Zimmer innerhalb von zwei Wochen räumen, wenn das neue Semester beginnt. Außerdem ein Zimmer in einer Sechsersuite in einem gemischtrassigen Wohnflügel …«
»Was ist am billigsten?« unterbrach Lunzie die Registratorin. Sie bedachte ihre ärgerlich gerunzelte Stirn mit einem freundlichen Lächeln.
Mit einem Ausdruck heftigen Widerwillens im Gesicht tippte die Sekretärin den Suchbefehl in ihren Computer. Der Bildschirm wurde unscharf, dann erschienen zentriert einige blinkende Textzeilen. »Da hätten wir einen Platz in einem universitätseigenen Apartment. Die anderen beiden Mieter sind Menschen. Aber es ist ziemlich weit weg vom Campus.«
»Das ist mir gleich. Solange ich ein Dach über dem Kopf und einen Platz zum Schlafen habe, bin ich zufrieden.«
* * *
Lunzie balancierte einen Armvoll Memokuben mit gespeicherten Dokumenten, Formulare aus Schreibfolie und ihre beiden Taschen, als sie das kleine Foyer ihres neuen Zuhauses betrat. Das Gebäude war alt und schon vor Lunzies erster Studienzeit gebaut worden. Sie hatte das angenehme Gefühl, heimzukehren, als sie endlich etwas sah, das sich nicht nennenswert verändert hatte. Auf der altmodischen Texttafel in der Eingangshalle blinkten persönliche Nachrichten für die Studenten, die hier wohnten, und unten war bereits eine neue Zeile hinzugekommen, die mit ihrem Namen versehen war und einen Willkommensgruß erhielt, gefolgt von einer typisch bürokratischen Mahnung, so schnell wie möglich ihre Eignungstests einzureichen. In dem Gebäude war es ziemlich ruhig. Die meisten Bewohner besuchten wahrscheinlich gerade Seminare oder hatten zu arbeiten.
Ihre Unterkunft lag im neunten Geschoß des fünfzigstöckigen Gebäudes. Der Turbolift sauste mit einem satten Brummen empor und hielt mit einem
Weitere Kostenlose Bücher