Raumfahrergarn
worden. Aus beiden Wunden floß und spritzte Blut.
»Was ist passiert?« wollte sie wissen und drängte sich an den beiden anderen vorbei. Sie schnitt den schweren Stoff des Hosenbeins weg und säuberte die Wunde mit sterilen Tupfern. Rik riß mit roher Gewalt den Schlitz in der Jacke auf und untersuchte die Wunde mit einem mikroskopartigen Gerät. Lunzie warf die Stoffetzen in die Ecke und legte einen Druckverband an. Als das Blut zu spritzen aufhörte, befestigte sie mit einer elektronisch gesteuerten Klemme eine Schnellschiene. Die biegsame röhrenartige Schiene preßte die Wundränder zusammen, und der Riß würde nun von allein heilen.
»Ein Stück der Landebahn hat sich verzogen und ist auf uns runtergefallen«, sagte der andere Mann und faßte sich am Arm. »Zum Teufel, ich wußte doch, daß diese Streben nichts aushalten. Vertraut dem Plaststahl-Konzern, hat uns ihr Chef gesagt. So ein Schrott! Die Maschinen werden uns schon warnen, wenn ein Preßstück nicht hält. Ich lach mich tot!«
»Ich kann mich jetzt darum kümmern«, sagte Rik zu Lunzie.
Mit einem verständigen Nicken wandte sich Lunzie dem anderen Mann zu. Himmel, war der Kerl groß! Er knirschte hörbar mit den Zähnen. Lunzie wußte, daß er schreckliche Schmerzen haben mußte.
»Setzen Sie sich«, sagte sie rasch und schluckte ihre Nervosität hinunter. Ihr Magen bäumte sich auf. Sie wußte, daß sie nicht umhin kommen würde, ihn zu berühren, und sie hatte Angst davor. Diese zornigen Riesen kamen ihr mehr als menschlich vor: größer, lauter, eindringlicher. Sie erschreckten Lunzie. In den Tiefen ihrer Seele assoziierte sie Schwerweltler noch immer mit dem Verlust von Fiona, und sie war überrascht, wie nahe es ihr ging. Sie mußte sich an ihre Pflichten erinnern.
»Es ist mein Arm«, sagte der Schwerweltler und knöpfte seine Jacke auf. Lunzie unterdrückte ihre Gefühle und riß den magnetischen Saum entlang des Ärmels auf. Sie versuchte, die Schwellung am Oberarm nicht zu berühren, als sie den Stoff herunterzog und ihm half, den Ärmel über das verletzte Glied zu ziehen. Seine Hand, die neben ihrer riesig wirkte, zuckte zusammen, als sie die Manschette aufknöpfte, und das Kunstleinengewebe flatterte gegen den Brustkasten des Mannes.
Auf den ersten Blick sah sie, daß der rechte Oberarmknochen gebrochen und die Schulter ausgerenkt war. »Ich gebe Ihnen etwas gegen die Schmerzen«, sagte Lunzie und gab dem Hypo-Arm ein Zeichen. Der Servomechanismus schwenkte seinen mehrfach bestücken Injektionskopf herunter, und die LEDs an seinem Bedienfeld leuchteten auf. »Warum nicht?« fragte sie, als der Schwerweltler den Kopf schüttelte.
»Sie werden mich nicht außer Gefecht setzen. Ich traue euch Knochenbrechern nicht. Ich will sehen, was Sie da machen.«
»Wie Sie wollen«, sagte Lunzie und stellte das Gerät ein. »Wie war’s mit einer örtlichen Betäubung? Das macht Sie nicht schläfrig, nimmt Ihnen aber die Schmerzen.«
»Na gut.« Er streckte ihr unvermittelt den Arm entgegen, und Lunzie wich erschrocken zurück. Der Schwerweltler sah sie mit einem Stirnrunzeln an und zog mißtrauisch die Augenbrauen zusammen.
Seine mißbilligende Aufmerksamkeit machte Lunzie noch nervöser, und sie stammelte nur, als sie dem Hypo-Arm eine Anweisung erteilte. »Äh … Untersuche auf Allergien und Unverträglichkeiten. Nur örtlich, rechter Oberarm und Schulter. Jetzt.« Der Kopf wurde zielstrebig ausgestreckt und berührte die Haut des Mannes. Das Ventil zischte kurz, dann drehte sich das Gerät weg und wurde wieder eingezogen. Lunzie betastete vorsichtig den Arm und untersuchte den Bruch. Der Knochen würde durch die dicken Muskelpakete nur schwer zu richten sein.
»Nun machen Sie schon!« knurrte der Mann.
»Tut sonst noch etwas weh?« fragte Lunzie, und ihre Hände zuckten zurück.
»Nein, aber wie Sie da rumfummeln, macht mich verrückt. Legen Sie mal einen Zahn zu!«
Lunzie war gekränkt und machte eine kurze Pause, um mit Hilfe ihrer mentalen Disziplin genug Kräfte tief aus sich herauszuholen, damit ihre Abneigung gegen den Schwerweltler sie nicht negativ beeinflußte. Sie würde es nicht zulassen, daß sie auf eine feindselige Weise reagierte. Ihr Atem verlangsamte sich soweit, daß er flach und gleichmäßig ging. Sie war schließlich Ärztin. Viele Leute hatten Angst vor Ärzten. Das war nichts Unnatürliches. Dieser Mann war durch den Unfall und die Schmerzen traumatisiert; es gab keinen Grund, sein Verhalten persönlich zu
Weitere Kostenlose Bücher